Das Institut der Bühlers war ein Teil des "Roten Wien"
Wien - Als Konrad Lorenz 1937 von Karl Bühler das Angebot erhielt, am Institut für Psychologie Assistent zu werden, sagte der junge aufstrebende, aber anstellungslose Forscher ab. Lorenz' Begründung: Der eigentliche Institutschef sei nicht Karl, sondern Charlotte Bühler, wie der Verhaltensforscher seinem Mentor Max Hartmann mitteilte. "Ich bin sicher kein wilder Judenfresser", würde aber "lieber Steine klopfen, als als Assistent der schönen Bühlerin zu existieren".
Dieser Brief ist einer der wenigen antisemitischen Ausrutscher von Konrad Lorenz und verrät nebenbei auch einiges über die Wirkung der Charlotte Bühler, die von 1923 bis 1938 in Wien arbeitete und hier zu einer der maßgeblichen Entwicklungspsychologinnen des 20. Jahrhunderts wurde.
Die 1893 in eine jüdische Großbürgerfamilie geborene Charlotte Malachowski promovierte 1918 in Psychologie, bereits zwei Jahre später erfolgte die Habilitation an der Technischen Hochschule Dresden in Kinder- und Jugendpsychologie. Daneben bekam sie selbst noch zwei Kinder mit dem Psychologen Karl Bühler, den sie 1916 geheiratet hatte.
1922 erhielt ihr um 14 Jahre älterer Mann eine Professur an der Universität Wien, ein Jahr später wurde Charlotte Bühler in Wien für Jugendpsychologie umhabilitiert. Zwar erhielt die Pionierin der experimentellen Kleinkindforschung 1929 den Titel einer ao. Professorin, ihr Status blieb aber der einer Dozentin ohne Mitspracherecht und ohne Gehalt.
Das meiste Geld und die Infrastruktur für das Wiener Psychologische Institut, das bis 1934 im Palais Epstein beim Pädagogischen Institut der Stadt Wien untergebracht war, kamen stattdessen von der sozialdemokratischen Stadtverwaltung, die großes Interesse an der Umsetzung der Forschungen zeigte, vor allem auch an Charlotte Bühlers kinder- und jugendpsychologischen Studien.
Unterstützung aus den USA
Unterstützung kam aber auch schon früh aus den USA von der Rockefeller Foundation, die viele der bahnbrechenden psychologischen Untersuchungen des Instituts - wie auch jene über die Arbeitslosen von Marienthal - mitfinanzierte. All das trug mit dazu bei, dass die Wiener Psychologie damals zweifellos die beste im deutschsprachigen Raum war.
1934 musste das Institut übersiedeln, nach dem "Anschluss" konnten die Bühlers über Oslo in die USA fliehen. Nach 1945 war das Forscherpaar zwar an einer Rückkehr interessiert. Die Remigration scheiterte aber an den Umzugskosten und daran, dass Charlotte Bühlers Stelle vom Ex-NSDAP-Mitglied Sylvia Klimpfinger übernommen worden war. (tasch, DER STANDARD, 6.5.2015)