Realisten sind eine rare Spezies. Wenn es darum geht, die Zukunftsperspektiven einzuschätzen, dominieren Schwarzmaler oder Schönfärber das Feld. Letztere sind jedoch deutlich in der Überzahl. Glaubt man einer Studie von Psychologen des University College in London, überschätzen 80 Prozent der Menschen ihre Zukunftsperspektiven.
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Rein funktionell betrachtet, funktioniert das Gehirn einer Optimistin einfach anders
Die Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Optimismus-Bias“, also einer verzerrten Wahrnehmung der Realität. „Wenn wir vorhersagen sollen, was uns morgen, in der nächsten Woche oder in fünf Jahren passiert, neigen die Leute dazu, die Wahrscheinlichkeit positiver Ereignisse zu überschätzen“, schreibt die Neurowissenschaftlerin und Psychologin Tali Sharot in der Studie, die jetzt in der aktuellen Fachzeitschrift „Current Biology“ erschienen ist.
Wie Hirnforschung die Welt verändern wird
In dem Experiment konfrontierten die Forscher in einer ersten Runde 19 Probanden mit 80 möglichen „Schadensszenarien“, die von Krankheiten bis zu Kriminaldelikten reichten. Die Teilnehmer sollten den Wahrscheinlichkeitseintritt der Ereignisse schätzen. Dabei wurden ihre Hirnströme mit einem funktionellen Magnetresonanz-Tomografen (fMRI) gemessen.
Nachdem der Versuchsleiter die tatsächlichen statistischen Zahlen verkündete, wurden die 80 Wahrscheinlichkeiten erneut abgefragt. Das Ergebnis: Die Teilnehmer verbesserten ihre Schätzung nur bei solchen Ereignissen, deren reale Statistik eine bessere Prognose verhieß als ursprünglich erwartet.
Die Schlussfolgerung der Forscher: Wir registrieren also lediglich Informationen, die uns gerade genehm sind. Negative Nachrichten werden verdrängt.
Erbauliche Botschaften kanalisiert
Ein Beispiel: Wenn das Risiko, Opfer eines Online-Betrugs zu werden, auf ein Prozent beziffert wurde, die Wahrscheinlichkeit aber in Wirklichkeit bei fünf Prozent liegt, blieben die Probanden bei ihrer niedrigeren Schätzung – und blendeten die tatsächliche Gefahr aus.
Die Forscher nennen dieses Phänomen den „Rosa-Brille-Effekt“. Dabei kommt es zu einer verstärkten Aktivierung des Vorderlappens im Gehirn, der für die Verarbeitung von positiven Informationen zuständig ist. Das Zentrum kanalisiert erbauliche Botschaften und malt uns die Zukunft rosa.
Diese Fokussierung geht einher mit einem übermäßigen Chancenkalkül: Graduierte rechnen mit rascher Einstellung, Angestellte hoffen auf eine Gehaltserhöhung, Unternehmer planen Gewinne ein – und das trotz schlechter Konjunkturaussichten. Der Anspruch und die Realität klaffen auseinander.
Nobelpreisträger gibt Chip im Hirn keine Chance
Allerdings fällt es schwer, von einer Anomalie zu sprechen. Schließlich ist der Optimismus-Bias bei vier von fünf Personen vorhanden. Kaum jemand würde der Mehrheit der Menschheit verquere Ansichten unterstellen. Vielmehr sei das Phänomen als natürlicher Aktivismus zu deuten, sagen die Forscher.
Sie vertreten das Argument, dass unrealistische Erwartungen Anreize fördern. Wer davon ausgeht, dass er im nächsten Jahr keine Stelle bekommt, wird sich weniger ins Zeug legen als jemand, dem ein lukrativer Posten winkt. Der süße Duft der Belohnung wirkt belebend – und macht arbeitsam.
Ökonomen der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina haben kürzlich nachgewiesen, dass Optimisten tendenziell länger arbeiten und damit höhere Gehälter einstreichen. Rosige Zukunftsaussichten spornen zu mehr Leistung an und schlagen sich in konkreten Nutzengewinnen nieder.
Der Rosa-Brille-Effekt wirkt sich überdies positiv auf die Gesundheit aus. Durch die herunterregulierte Risikowahrnehmung im Gehirn entsteht das Gefühl, weniger anfällig für Krankheiten zu sein. Eine Art psychische Immunisierung. „Hoffnung beruhigt den Geist, verringert Stress und steigert die Physis“, sagt Studienleiterin Sharot. Manchmal ist es angenehmer, wohligen Illusionen nachzuhängen als der rauen Realität ins Auge zu blicken.
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