Opferforum des WEISSEN RINGS: Trauma-Ambulanzen in ganz Deutschland gefordert

Mainz (ots) - In einer Resolution forderten rund 130 Experten beim 22. Opferforum des WEISSEN RINGS ein flächendeckendes Netz von Trauma-Ambulanzen einzurichten. Nach einer Straftat muss die psychologische Hilfe schnell erfolgen und für die Opfer leicht erreichbar sein. Eine in Nordrhein-Westfalen durchgeführte Evaluation bestätigte, wie effektiv und hilfreich Trauma-Ambulanzen bei der Linderung menschlichen Leids sind. Nur NRW verfügt derzeit über eine entsprechende landesweite Versorgung. Einige andere Bundesländer sind auf einem guten Weg, andere zögern noch. Bei dieser wichtigen Hilfe auf Kosten der Opfer von Kriminalität und Gewalt zu sparen, sei jedoch unverantwortlich, so der WEISSE RING. Bei Menschen, die er nicht vor kriminellen Übergriffen hatte schützen können, stehe der Staat in der Pflicht, seelische Folgeschäden möglichst zu verhindern.

Der WEISSE RING veranstaltet mit dem Opferforum eine Fachtagung, um mit Experten aus Politik, Justiz, Polizei, Verwaltung und Wissenschaft aktuelle und bedeutsame Fragen für Kriminalitätsopfer zu diskutieren. Das 22. Mainzer Opferforum stand unter dem Motto "Ängste des Opfers nach der Straftat". Bei der Veranstaltung beleuchteten die Fachleute Regelungen in den verschiedenen Verfahrensordnungen (straf-, sozial- und zivilrechtliche Verfahren) sowie in Zeugenschutzprogrammen und ihre Folgen für die Opfer.

Die Bundesvorsitzende des WEISSEN RINGS, Roswitha Müller-Piepenkötter, wies auf die besondere mentale Situation von Kriminalitätsopfern hin: "Plötzlich ist vieles angstbesetzt. Aus der Enge der Angst heraus verlieren die Betroffenen das Grundgefühl der inneren Sicherheit." Hier setzte auch Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages und Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des WEISSEN RINGS an. "Niemand, auch nicht die Justiz oder die Gesetzgebung, darf am Opfer vorbeischauen."

Dr. Christine Bergmann berichtete über die Erkenntnisse und Folgerungen aus der Arbeit der zentralen Anlaufstelle für Missbrauchsopfer, die sie bis vor wenigen Wochen leitete. "Im Fokus steht immer wieder die Anerkennung des erlittenen Unrechts. Opfer wollen, dass man ihnen glaubt", brachte es die ehemalige Bundesministerin auf den Punkt.

Die rund 130 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und Österreich erörterten Unterstützungsmöglichkeiten durch psychotherapeutische Betreuung und mögliche Auswirkungen auf die Aussage ebenso wie die Bedeutung der Medienöffentlichkeit für die Opfer.

Der Ehrenvorsitzende des WEISSEN RINGS, Prof. Dr. Reinhard Böttcher stellte fest, dass die Medien bei Kriminalitätsopfern zusätzliche Ängste hervorrufen könnten. Vom Pressekodex ausgehend, forderte er eine Fortschreibung und Bindung dieser ethischen Grundsätze nicht nur für Print- und Online-Medien, sondern auch für Hörfunk und Fernsehen. Nur so könne dem Aufmerksamkeitsdefizit des Opfers entgegengewirkt werden. In einer Podiumsdiskussion sprachen zum Abschluss Dr. Jochen Kalka (Buchautor), Dr. Christian Lüdke (Psychotherapeut und Mitglied des Fachbeirates Medizin / Psychologie des WEISSEN RINGS), Lutz Tillmanns (Geschäftsführer Deutscher Presserat) und Mirco Robus (Super Illu) über den Umgang der Medien mit Opfern nicht nur bei Großereignissen.

Der WEISSE RING hat seit 1976 mit derzeit 420 Anlaufstellen ein bundesweites Hilfsnetz für Kriminalitätsopfer aufgebaut. Mehr als 3.000 ehrenamtlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Opfern und ihren Familien mit Rat und Tat zur Seite, leisten menschlichen Beistand und persönliche Betreuung, geben Hilfestellung im Umgang mit den Behörden und helfen den Geschädigten auf vielfältige Weise bei der Bewältigung der Tatfolgen. Mehr Informationen zur Opferhilfe in Deutschland unter www.weisser-ring.de.

Resolution des 22. Opferforums 2011:

WEISSER RING fordert Trauma-Ambulanzen in ganz Deutschland

Jede erlittene Straftat, insbesondere ein Sexual- oder Gewaltdelikt, aber auch ein Wohnungseinbruch, führt beim Opfer zu psychischen Belastungen. Nichts ist mehr wie vorher. Scheu, Misstrauen und Angst beeinträchtigen das Lebensgefühl oft für lange Zeit. Opfer tragen oft bis an ihr Lebensende an den seelischen und körperlichen Folgen der Verletzungen. Diese Menschen benötigen vor allem zeitnahe und leicht erreichbare fachlich qualifizierte Versorgung. Eine in Nordrhein-Westfalen durchgeführte Evaluation der dortigen Traumaambulanzen, die allerdings Opfer von Wohnungseinbrüchen nicht erfasste, hat bestätigt, wie effektiv und hilfreich bei der Linderung des menschlichen Leids eine schnelle Unterstützung ist.

Bereits anlässlich des diesjährigen Tages der Kriminalitätsopfer hat der WEISSE RING darauf hingewiesen, wie wichtig eine kurzfristig zur Verfügung stehende fachmännische, psychotraumatologische Versorgung ist. Einige Bundesländer haben den Gedanken aufgegriffen und planen eine Verbesserung der Akutversorgung.

Dennoch fehlt noch in vielen Regionen eine Versorgung in Trauma-Ambulanzen.

Die Teilnehmer des 22. Mainzer Opferforums appellieren daher an Bund und Länder, sich ihrer Verpflichtung zu stellen und dem Beispiel der bereits vorhandenen Initiativen zu folgen. Trauma-Ambulanzen in ganz Deutschland sind schon lange überfällig, denn je früher eine medizinisch-psychologische Versorgung einsetzt, desto höher ist die Aussicht auf Erfolg.

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