Knapp vier Millionen Syrer hat der Brgerkrieg in die Flucht getrieben. Viele junge Menschen mussten ihre Ausbildung unterbrechen. Baden-Wrttemberg hat als erstes Bundesland nun Hochschulstipendien vergeben.
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Will im Sommersemester 2016 in Tbingen ihr Psychologiestudium beginnen: Die Syrerin Jesseca Naddaf ist eine von 50 Stipendiaten, die Untersttzung vom Land Baden-Wrttemberg erhalten.
Die junge Syrerin trumt von einem Psychologiestudium. "Whrend des Krieges habe ich miterlebt, wie gewaltttig Menschen sein knnen", sagt Jesseca Naddaf. Die 18-Jhrige stammt aus Homs in Syrien. Mit ihren Eltern und sechs Geschwistern musste sie aufs Land fliehen, nachdem ihr Haus zerbombt wurde. Inmitten des Brgerkriegs war ein Studium in Syrien nicht mglich - in Deutschland aber, das hatte sie gehrt, gibt es gute Universitten. Fr ihre Familie war das ein Grund, nach Deutschland zu fliehen. Und die junge Frau beschloss: "Ich will Psychologie studieren, um die Grnde fr den Krieg zu verstehen."
Dass Naddaf ab nchstem Jahr an der Universitt von Tbingen Psychologie studieren kann, hat sie einem Stipendium des Landes Baden-Wrttemberg fr syrische Flchtlinge zu verdanken. Sie ist eine von 50 Syrern, die im Rahmen eines neuen Stipendienprogramms ein Studium an einer Sdwest-Hochschule antreten knnen. Das Programm ist nach Angaben des Landeswissenschaftsministeriums in Stuttgart in der Form einzigartig in Deutschland.
"Wir erleben den unbndigen Willen, die eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen", sagt Ministerin Theresia Bauer (Grne) ber die Stipendiaten. "Das Mittel ist Bildung. Sie begreifen dies als "Once in a Lifetime" (Einmal im Leben)-Chance." Naddaf und die anderen Stipendiaten haben sich gegen 233 weitere Bewerber durchgesetzt. "Es ist eine Gruppe mit eindrucksvollen Fhigkeiten", sagt Bauer. Nicht nur die akademischen Leistungen, sondern auch die Motivation und das Engagement der Kandidaten htten in den Auswahlgesprchen eine Rolle gespielt.
In Deutschland hatten im vergangenen Jahr rund 200 000 Flchtlinge Asyl beantragt, davon kam mit 40 000 Menschen der grte Anteil aus Syrien. Fr diejenigen, die sich einen der 50 Stipendienpltze in Baden-Wrttemberg sichern konnten, ist jeder Studiengang im Sdwesten offen - von Psychologie ber Medizin bis hin zu Maschinenbau oder Geschichte. Das sei eine der Besonderheiten des Programms, sagt Bauer. Auch, dass der Schwerpunkt auf dem Bachelorstudium liege.
Einen Studienplatz erhofften sich auch tausende weitere Syrer, deren Ausbildung durch den Brgerkrieg unterbrochen wurde. 5000 htten sich fr ein neues Bundesprogramm beworben, das Stipendien fr deutsche Hochschulen vergebe - 221 htten einen Platz bekommen, sagt Christian Hlshrster. Er ist unter anderem fr dieses Programm, "Leadership for Syria" ("Fhrungskrfte fr Syrien") beim Deutschen Akademischer Austauschdienst (DAAD) verantwortlich. Mit rund 16 Millionen Euro frdere das Auswrtige Amt 200 der Stipendien. Nordrhein-Westfalen hat weitere 1,5 Millionen Euro fr 21 Pltze beigesteuert.
Die Interviews fr die Stipendien seien hauptschlich in Jordanien, im Irak, in der Trkei und im Libanon gefhrt worden, sagt Hlshrster. "Einige Kandidaten kamen aus Aleppo, einer der meist umkmpften Stdte in Syrien." Um zu dem Vorstellungsgesprch nach Beirut zu kommen, htten sie einiges auf sich genommen. "Sie waren hochmotiviert - was zeigt, wie stark der Wille ist." Die meisten von ihnen werden vom Wintersemester an ein Masterstudiengang oder ihren Doktor in Deutschland machen.
Visa-Antrge, Bewerbungsfristen, Deutschkurse - fr die Stipendiaten die geeigneten Hochschulen zu finden, sei ein "aufwendiges und kompliziertes Verfahren", sagt Hlshrster. Doch aus seiner Sicht lohnt es sich: "In Europa gibt es kein vergleichbares Programm fr syrische Brgerkriegsflchtlinge."
Um ihr Studium antreten zu knnen, lernt Jesseca Naddaf bereits Deutsch. Bis zum Sommersemester nchsten Jahres muss es hochschultauglich sein. Angst macht ihr das nicht - "ich sehe das als Chance", sagt die junge Syrerin. Denn sie sieht ihre Zukunft in Deutschland und hat vor, ihren Master und Doktor hier zu machen. "Ich glaube nicht, dass der Krieg in Syrien bald enden wird."
Einwanderung per Gesetz?
Debatte Der Fall des palstinensischen Flchtlingsmdchens Reem, das bei der Begegnung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Trnen ausgebrochen war, hat eine neue Debatte ber Einwanderung ausgelst. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte in der "Welt am Sonntag"ein neues Einwanderungsgesetz. "Es luft etwas grundfalsch in Deutschland, wenn wir einerseits mehr Nachwuchs brauchen und andererseits junge, gut integrierte Flchtlinge von der Abschiebung bedroht sind", sagte Oppermann. "Ich will deshalb ein Einwanderungsgesetz, bei dem alle Einwanderer schnell Klarheit haben, ob sie bleiben knnen oder nicht. Junge, leistungsbereite Menschen, die sich integrieren wollen, mssen wir willkommen heien und drfen sie nicht abschrecken." CDU-Vize Armin Laschet sagte der "Westdeutschen Allgemeinen": "Wir brauchen ein Bleiberecht fr die, die seit Jahren hier leben, sich anstrengen, sich um gute Bildung kmmern und Deutsch sprechen und sich zu unserem Land bekennen." afp