Tschüs Flip-Flops, Badehose, Bikini. Wir haben zwar Hochsommer, doch gefühlt ist längst Herbst. Wir tragen Jacken und feste Schuhe und frieren trotzdem. Auch die Stimmung sinkt gegen Null. Bekommen wir jetzt alle eine Herbst-Depression?
Es ist Mitte August und es ist zum Heulen. Eigentlich sollten wir im Freibad liegen, Eis essen und abends, wenn die Hitze sich langsam verzieht, den Grill anschmeißen – kurzum, den Hochsommer genießen. Doch der Hochsommer fühlt sich an wie Herbst. Die Sonne lässt sich nicht blicken, es ist trüb, windet und regnet. Wir tragen feste Schuhe, lange Hosen, Jacken und haben sogar darüber nachgedacht, Schals und Mützen auszukramen.
Schuld ist Wilma, das Sturmtief, das am Wochenende mit Böen über Norddeutschland hinwegfegte und laut Deutschem Wetterdienst Polarluft zu uns bringt. Polarluft! Genau so fühlt es sich an, auch wenn es vereinzelt noch bis zu 20 Grad warm wird. In Deutschland ist auf einmal Herbst, und das macht richtig schlechte Laune.
Das Wetter schwächt die Stimmung
Kriegen wir jetzt alle den Herbst-Blues, eine Saisonal Abhängige Depression, wie die Fachleute sagen? Prof. Dr. med. Wolfgang Maier kann beruhigen. „Das Wetter schwächt die Stimmung, aber führt nicht zu psychischer Krankheit. Für die im Herbst häufige saisonale Depression sind Kälte und Regen weniger relevant“, erklärt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn.
Wir regen uns zwar über das Wetter auf und fühlen uns um den Sommer gebracht. Die Gefahr, dass wir deshalb eine Depression auf Zeit entwickeln, besteht aber nicht, noch nicht. Für eine saisonale Depression, erklärt Wolfgang Maier, sei vielmehr die nachlassende Helligkeit in den Herbst und Wintermonaten zuständig. Auch wenn wir die Sonne für unseren Geschmack viel zu selten sehen, noch geht sie immer noch sommerlich früh auf und spät unter.
Anzeichen einer Depression
Die Saison für den Herbst-Blues beginnt frühestens im September. Dann erleiden aber nicht wenige Menschen, oft wiederkehrend, eine saisonale Depression. Die Anzeichen gleichen denen einer Depression: „Niedergeschlagene Stimmung bis hin zu Todesgedanken, Desinteresse, reduzierte Energie, ein geringer Antrieb, innere Unruhe, Konzentrationsstörungen und Unentschiedenheit“, zählt Maier auf, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist.
Im Gegensatz zu einer Depression, die nicht selten mit Schlaflosigkeit einhergeht, haben Herbst-Blues-Betroffene eine verstärkte Schlafneigung. Und sie neigen zum „Overeating“. Sie schaufeln kohlenhydratreiche Nahrung wie Kuchen in sich hinein und legen an Gewicht zu.
Spaziergang am hellen Morgen
Betroffenen wird neben den gängigen Therapien gegen eine Depression, wie eine medikamentöse Behandlung oder eine Psychotherapie, eine Lichttherapie empfohlen. Jeden Morgen eine viertel bis halbe Stunde Licht aus einer 10.000 Lux starken, in der Apotheke erhältlichen Lampe oder ein halbstündiger Spaziergang am hellen Morgen helfen durch die trüben Tage.
„Natürlich sind es vor allem die wetterfühligen Menschen, die eine Neigung zu einer saisonalen Depression entwickeln“, sagt Maier. Dabei trifft es ältere Menschen seltener als jüngere zwischen 20 und 60 Jahren.
Gezielte, regelmäßige Aktivität
Wenn uns Sturmtief Wilma mit seiner Polarluft bisher also lediglich schlechte Laune bereitet, wie können wir dann vorbeugen, damit uns der Herbst nicht depressiv macht? Wolfgang Maier: „Vor allem mit gezielter, regelmäßiger Aktivität, die sich durch die Witterung nicht beirren lässt. Sport ist sehr wichtig und lässt sich auch wetterunabhängig ausüben. Auch Freizeitaktivität und Arbeit schützen.“ Darüber hinaus könne jeder Einzelne an sich arbeiten, sich nicht so stark von negativen Stimmungen beeinflussen zu lassen.
Alles klar, hat hier etwa jemand übers Wetter geschimpft? Regen, Wind, Kälte – ist doch egal!
1. Raus an die Luft
Gehen Sie möglichst oft und bei jedem Wetter nach draußen. Je heller es draußen ist, desto besser. Die Nervenbahnen der Augen signalisieren bei Helligkeit der Zirbeldrüse, weniger Melatonin zu produzieren. Und das Hormon ist der Übeltäter, der uns schlapp und müde macht.
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