Freiburg Musikhochschule - 21.11.2011
Midori Özgür Aydin
Kritik zu Midori (Musikhochschule Freiburg)
Kritik von Aron Sayed
Es sind Auftritte wie der von Midori und Özgür Aydin bei den Freiburger Albert Konzerten, die dem aus dem 19. Jahrhunderts stammenden Topos von der Musik als Vermittlerin innerer, unsagbarer Zustände, als Ausdrucks- und Stimmungkunst, neues Leben verleihen. Mit geschlossenen Augen spielend, deutete die über einen Abschluss in Psychologie verfügende Violinistin schon alleine durch ihre Körperbewegungen die dynamischen Verlaufskurven der Musik an, während Aydin als Klavierbegleiter vornehm im Hintergrund blieb, dabei gleichwohl konstant präsent.
Das Maximum an Gespanntheit der Körperhaltung Midoris wie des Tons ihrer Guarneri ließ sich in jener Dreitonfigur mit Sextsprung abwärts (g-h-d) im Kopfsatz aus der G-Dur-Violinsonate von Johannes Brahms erleben, die gleich mehrfach einen Punkt des dramatischen Umschwungs im Satzverlauf darstellt. Förmlich zu spüren war es, wie Midori in der Mitte der Durchführung beim Erklingen jener Figur gleichsam den Schalter umlegte, von besinnlicher Innerlichkeit auf fatalistische Veräußerung. Solch ein Wechselbad der Ausdruckscharaktere war an diesem Abend nicht häufig zu beobachten.
Das 'Molto Allegro' aus Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate für Klavier und Violine (nicht umgekehrt) A-Dur KV 526 etwa musste als Warmspieler herhalten, was teils auf Kosten des Zusammenhanges ging. Allerdings befand sich das Duo Midori-Aydin im darauffolgenden 'Andante' dann auf Betriebstemperatur, so dass die merkwürdig dunkel gefärbte, auf Schubert vorausweisende Dur-Stimmung dieses Satzes zur Entfaltung gelangen konnte. Vollkommen zur Entfaltung gelangte ebenfalls die herbe Klanglichkeit der Guarneri Midoris auf der G- und D-Saite im 'Adagio' der ersten Brahms-Sonate. Die Doppelgriff-Passage im letzten Drittel des 'Adagio', in der das erste Thema erneut auftaucht, gehörte in seiner Eindrücklichkeit zu den stärksten Momenten des Abends und ließ den großen Konzertsaal der Freiburger Musikhochschule auf Kammergröße schrumpfen, ob der Intimität der Stimmung. Kaum zu hören waren dagegen die Pizzicatti im Kopfsatz der G-Dur Sonate.
Auch die Pizzicato-Variation aus Franz Schuberts C-Dur-Fantasie D 934 hätte lauter gezupft werden können. Solche Kleinigkeiten fielen gegenüber der ansonsten traumwandlerischen Souveränität der Interpreten aber kaum ins Gewicht. Dass Midori über eine perfekte Spieltechnik verfügt, demonstrierte sie in den zwei vor Glissandi und Flageoletts funkelnden Zugaben. Dass sie auch ruppig kann, bewies die Heftigkeit ihres Ansatzes in den letzten beiden Sätzen der Violinsonate von Leos Janacek. Das bei Janacek beziehungslose Nebeneinander von ausschweifender Melodik im Klavier und abrupter Gestik in der Violine wurde von Midori und Aydin im Schluss-'Adagio' gekonnt in Szene gesetzt. Ebenso gekonnt fiel die Inszenierung des schwebend kantablen Beginns der Schubert-Fantasie aus. Und so wiesen die einzelnen Programmpunkte – Mozart, Schubert, Brahms, Janacek – zwar von sich aus keine innere Verbindung auf, doch täuschte die Flexibilität des Zugriffs von Midor und Aydin jederzeit über diesen Umstand hinweg.