Auch ein 40-Jähriger ohne Talent kann noch ein Musikinstrument lernen. Der Psychologie-Professor Gary Marcus hat es selbst ausprobiert.
ZEIT Wissen: Professor Marcus, welche Rolle spielt Talent beim Erlernen eines Musikinstruments?
Gary Marcus: Alles, was der menschliche Verstand leistet, ist eine Mischung aus Natur und Erziehung, und das gilt auch für Musikalität. Auch wenn in jüngster Zeit in Mode gekommen ist, zu behaupten, Talent sei überbewertet oder existiere gar nicht, kommt es beim Erlernen musikalischer Fähigkeiten sowohl auf die Praxis als auch auf die Biologie an.
ZEIT Wissen: Woraus schließen Sie das?
Gary Marcus ist Professor für Psychologie an der New York University. An seinem 40. Geburtstag beschloss er, sein eigenes Gehirn auf die Probe zu stellen – und Gitarre zu lernen. Er wollte wissen, was ein Erwachsener ohne Talent erreichen kann. Sein Buch Guitar Zero –The New Musician and The Science of Learning erscheint im Januar 2012.
Marcus: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Leute, die viel üben, besser spielen als solche, die weniger üben. Das heißt aber nicht, dass Talent keine Bedeutung hat. Die gleichen Studien zeigen, dass einige Leute, die erst seit zehn Jahren üben, besser sind als andere, die schon seit 20 Jahren regelmäßig spielen. Man kann also ein Instrument lernen, selbst wenn man kein Talent hat, aber wer Talent besitzt, lernt schneller und kommt möglicherweise weiter.
ZEIT Wissen: Was genau ist Talent?
Marcus: Musik beansprucht mehrere Teile des Gehirns, und die können individuell unterschiedlich ausgeprägt sein – das wirkt sich auf das Talent aus. Wie sensibel das Gehörsystem auf Töne reagiert, ist zum Beispiel genetisch bedingt und macht einen großen Unterschied. Ein absolutes Gehör scheint von Vorteil zu sein. Viele Sänger haben es, etwa Barbra Streisand. Es gibt aber auch Komponisten wie seinerzeit Duke Ellington, die kein absolutes Gehör haben und trotzdem gut sind.
ZEIT Wissen: Mit Übung kann man das also kompensieren?
Marcus: Zu einem gewissen Grad. Man muss aber eines bedenken: Wie viel jemand übt, kann ebenfalls genetisch bedingt sein. Wer von Natur aus gern Neues entdeckt, übt sicherlich mehr. Interesse an sich kann also auch eine Form von Talent sein.
ZEIT Wissen: Sie selbst haben es geschafft, Gitarre spielen zu lernen, obwohl Sie nach eigenen Angaben völlig unmusikalisch sind.
Marcus: Mein Versuch, Gitarre zu spielen, war zum Teil auch ein Experiment: Ich wollte wissen, ob jemand, der kein musikalisches Talent hat, überhaupt ein Instrument lernen kann. Und ich konnte es lernen, aber eben nicht so schnell wie Jimi Hendrix.
ZEIT Wissen: Woran mangelt es Ihnen konkret?
Marcus: Ich habe kein gutes Gehör und keine geschickten Hände. Vor allem aber fehlt mir jegliches Rhythmusgefühl. Als Kind konnte ich nicht einmal beim Hampelmann den Takt halten. Und als ich in der vierten Klasse versuchte, Blockflöte zu spielen, flog ich aus der Gruppe, weil ich nicht Mary had a little lamb spielen konnte. Außerdem hatte ich Gleichgewichtsprobleme – ich mochte es nie, zu schaukeln. Und ich denke, das eine hängt mit dem anderen zusammen. Heute ist bekannt, dass Balance und Rhythmusgefühl von derselben Hirnregion, dem Kleinhirn, reguliert werden. Da habe ich wahrscheinlich eine Schwäche. Ich muss sehr viel mit dem Metronom üben, um sie zu überwinden.
ZEIT Wissen: Als Sie mit der Gitarre anfingen, waren Sie schon 40. Welchen Unterschied macht es, ob man als Kind oder als Erwachsener ein Instrument lernt?
Marcus: Eines ist ziemlich sicher: Kinder haben ein besseres Gehör, sie reagieren sensibler auf feine Tonlagen- und Tempounterschiede, und diese Fähigkeit ist sehr wichtig. Kinder sind also im Vorteil beim Hören.
ZEIT Wissen: Und diese Fähigkeiten kann man ab einem bestimmten Alter nicht mehr erwerben?
Marcus: Doch, zumindest teilweise. Mein Gefühl für Tonlagen war furchtbar, aber ich bin besser geworden.
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- gustav.wendlandt
- 08.12.2011 um
16:24 Uhr
Bei manchen Eigenschaften gibt es genau zwei Zustände. So z.B. beim Abitur: entweder man hat es oder man hat es nicht.
Bei einem Instrument ist das völlig anders!
Manche können auf der Gitarre 3 Akkorde schrammeln und behaupten Gitarre spielen zu können.
Andere spielen auf ihrer Gitarre die Lautensuiten von J.S.Bach, würden aber, da es bei ihnen nicht ganz so klingt wie bei Julian Bream, nie behaupten Gitarristen zu sein.
Allenfalls würden sie zugeben, auch ein bisschen Gitarre zu spielen.Viele würden tägliches Üben für erforderlich halten. Nicht nur 3 mal pro Woche...
Man muss deshalb sagen: Solange Herr Marcus uns nichts vorspielt, wissen wir noch nicht einmal, was er darunter versteht, dass er Gitarre spielen gelernt hat!
- Autobahn München-Ulm
- 08.12.2011 um
18:04 Uhr
behaupten Gitarre spielen zu können."
Ich habe mich selber lange auf der Gitarre versucht, hatte ein paar mehr als 3 Akkorde auf Lager und kann dazu nur sagen: Es kommt einzig und alleine darauf an, wie's klingt.
Der eine langweilt schon beim dritten Akkord der andere rockt mit drei Akkorden die Bude.
Die Musiker/Interpreten mit echter Begabung intonieren anders, pausieren anders, schlagen anders, zupfen anders. Sie hören ihren Mangel und spielen damit, dann reichen auch drei Akkorde.
Amy Winehouse war kein Ausnahmetalent, weil sie einen besonders tollen Stimmumfang hatte oder eine besonders reine Stimme hatte oder besonders raffinierte Melodien. Sie brachte im Zuhörer etwas zum Resonieren und das machte sie einmalig.
Als "Gitarristen" könnte ich noch Seasick Steve anführen, der die Mängel seiner Gitarre und seines Spiels zum charakteristischen Akzent seines Spiels macht. Auch B.B. King war in seiner Hochzeit ein begnadeter Minimalist. Neil Young zeigt auf Le Noise, dass man auch mit Krach ganz wunderbar musizieren kann.
Akkorde sind wichtig für Harmonielehre, für Musik aber häufig überbewertet.
- Autobahn München-Ulm
- 08.12.2011 um
18:04 Uhr
behaupten Gitarre spielen zu können."
Ich habe mich selber lange auf der Gitarre versucht, hatte ein paar mehr als 3 Akkorde auf Lager und kann dazu nur sagen: Es kommt einzig und alleine darauf an, wie's klingt.
Der eine langweilt schon beim dritten Akkord der andere rockt mit drei Akkorden die Bude.
Die Musiker/Interpreten mit echter Begabung intonieren anders, pausieren anders, schlagen anders, zupfen anders. Sie hören ihren Mangel und spielen damit, dann reichen auch drei Akkorde.
Amy Winehouse war kein Ausnahmetalent, weil sie einen besonders tollen Stimmumfang hatte oder eine besonders reine Stimme hatte oder besonders raffinierte Melodien. Sie brachte im Zuhörer etwas zum Resonieren und das machte sie einmalig.
Als "Gitarristen" könnte ich noch Seasick Steve anführen, der die Mängel seiner Gitarre und seines Spiels zum charakteristischen Akzent seines Spiels macht. Auch B.B. King war in seiner Hochzeit ein begnadeter Minimalist. Neil Young zeigt auf Le Noise, dass man auch mit Krach ganz wunderbar musizieren kann.
Akkorde sind wichtig für Harmonielehre, für Musik aber häufig überbewertet.
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- Autobahn München-Ulm
- 08.12.2011 um
18:04 Uhr
behaupten Gitarre spielen zu können."
Ich habe mich selber lange auf der Gitarre versucht, hatte ein paar mehr als 3 Akkorde auf Lager und kann dazu nur sagen: Es kommt einzig und alleine darauf an, wie's klingt.
Der eine langweilt schon beim dritten Akkord der andere rockt mit drei Akkorden die Bude.
Die Musiker/Interpreten mit echter Begabung intonieren anders, pausieren anders, schlagen anders, zupfen anders. Sie hören ihren Mangel und spielen damit, dann reichen auch drei Akkorde.
Amy Winehouse war kein Ausnahmetalent, weil sie einen besonders tollen Stimmumfang hatte oder eine besonders reine Stimme hatte oder besonders raffinierte Melodien. Sie brachte im Zuhörer etwas zum Resonieren und das machte sie einmalig.
Als "Gitarristen" könnte ich noch Seasick Steve anführen, der die Mängel seiner Gitarre und seines Spiels zum charakteristischen Akzent seines Spiels macht. Auch B.B. King war in seiner Hochzeit ein begnadeter Minimalist. Neil Young zeigt auf Le Noise, dass man auch mit Krach ganz wunderbar musizieren kann.
Akkorde sind wichtig für Harmonielehre, für Musik aber häufig überbewertet.
- gustav.wendlandt
- 08.12.2011 um
18:43 Uhr
Es gilt in der Musik nicht: Je komplizierter, desto besser.
Ich glaube aber, dass man mit seinem Urteil dennoch vorsichtig sein muss, denn wenn jemand minimalistisch mit wenigen Akkorden oder Tönen Musik macht (und damit z.B. einen eigenen Stil erschafft), folgt daraus noch lange nicht, dass dieser Jemand tatsächlich nur so wenige Akkorde oder Töne spielen kann.
- gustav.wendlandt
- 08.12.2011 um
18:43 Uhr
Es gilt in der Musik nicht: Je komplizierter, desto besser.
Ich glaube aber, dass man mit seinem Urteil dennoch vorsichtig sein muss, denn wenn jemand minimalistisch mit wenigen Akkorden oder Tönen Musik macht (und damit z.B. einen eigenen Stil erschafft), folgt daraus noch lange nicht, dass dieser Jemand tatsächlich nur so wenige Akkorde oder Töne spielen kann.
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- gustav.wendlandt
- 08.12.2011 um
18:43 Uhr
Es gilt in der Musik nicht: Je komplizierter, desto besser.
Ich glaube aber, dass man mit seinem Urteil dennoch vorsichtig sein muss, denn wenn jemand minimalistisch mit wenigen Akkorden oder Tönen Musik macht (und damit z.B. einen eigenen Stil erschafft), folgt daraus noch lange nicht, dass dieser Jemand tatsächlich nur so wenige Akkorde oder Töne spielen kann.
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