Von
Sebastian Herrmann
Menschen sind weniger bereit, eine Ware zu kaufen, wenn sie den Wert selbst bestimmen können. Warum das so ist, haben US-Wissenschaftler jetzt untersucht.
Warum bezahlen Menschen für ein Produkt, das sie gratis haben könnten? Weil sie sonst ihr Selbstbild in Frage stellen müssten; es würde ihnen schwerer fallen, sich selbst als fairen Zeitgenossen zu betrachten, der Leistung honoriert und dem das Wohlergehen anderer am Herzen liegt. Deswegen sind weniger Menschen zu einem Kauf bereit, wenn sie den Preis einer Ware selbst bestimmen können, als wenn der Preis feststeht.
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Das berichten Forscher um Ayelet Gneezy von der University of California in San Diego im Fachblatt PNAS (online).
Die Wissenschaftler setzten ihre Probanden einer typischen Touristensituation aus. Ein Fotograf lichtete die Passagiere eines Ausflugsdampfers beim Einsteigen ab und teilte ihnen mit, dass die Fotos am Ende der Fahrt für 15 Dollar zu haben seien. Später boten die Forscher die Bilder dann doch billiger an: einmal für fünf Dollar, ein andermal durfte jeder Käufer über den Preis frei entscheiden.
64 Prozent der Ausflügler schlugen für den reduzierten Preis von fünf Dollar zu. Nur 55 Prozent der Reisenden kauften jedoch das Bild, wenn sie den Obolus selbst wählen durften - obwohl sie das Foto für einen Cent bekommen hätten.
Zudem zahlten die Touristen bei freier Preisgestaltung mehr für ein Foto: im Schnitt 6,43 Dollar. Beiden Gruppen war bewusst, dass die Bilder ursprünglich 15 Dollar kosten sollten.
Für die Preissenkung auf fünf Dollar lag die Verantwortung beim Anbieter, ein Kauf stellte das positive Selbstbild der Kunden deshalb nicht in Frage. Wer so viel zahlen durfte, wie er wollte, fand es hingegen unfair, die ursprünglichen 15 Dollar so weit zu unterbieten, vermuten Gneezy und ihre Kollegen.
Die Touristen in dieser Gruppe verzichteten deshalb lieber ganz auf den Kauf oder zahlten einen ordentlichen Preis. Trotzdem sei eine freie Preisgestaltung für Unternehmer eine Möglichkeit, sagen die Forscher. Ein weiterer Test in einem Wiener Restaurant, wo die Kunden den Preis bestimmten, zeigt: Die Gäste zahlen genug, um das Lokal rentabel zu betreiben.
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(SZ vom 25.04.2012/mcs)
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