Es gibt in der Psychologie eine These, die besagt, dass Sport im Grunde nichts weiter ist als Kriegsersatz. Statt auf dem Schlachtfeld tobt sich die Menschheit heute auf dem Fußballfeld aus. Wenn dem so ist, ist der Handschlag die Friedenserklärung. Im Umkehrschluss heißt die Verweigerung: Der Krieg geht weiter. Bastian Schweinsteiger hätte demzufolge am späten Samstagabend dem Bundespräsidenten den Krieg erklärt.
Das ist natürlich Unsinn. Zwar ignorierte er tatsächlich Joachim Gaucks ausgestreckte Hand nach dem verlorenen Champions-League-Finale. Aber ein besonnener Mensch wie Gauck weiß, dass er das nicht persönlich nehmen darf. Schließlich hatte der junge Mann gerade den bittersten Moment seiner Karriere erlebt. Der verschossene Elfmeter, der den FC Bayern den Sieg in der Königsklasse kostete, wird Schweinsteiger noch lange verfolgen. Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat 1976 einen Strafstoß über das Tor gesetzt und damit die EM zu Deutschlands Ungunsten entschieden. Bis heute wird er darauf angesprochen.
Schweinsteiger hat allen Grund, enttäuscht zu sein. Nichts im Fußball ist gemeiner als ein Elfmeterschießen, jene auf die Spitze getriebene öffentliche Leistungsschau. Zumal der FC Bayern gegen den destruktiv verteidigenden FC Chelsea schon lange alles klar hätte machen können. Doch der wahre Charaktertest kommt erst jetzt. Schweinsteiger soll in den nächsten Wochen die Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft zum Sieg führen. Dafür muss er die richtigen Lehren aus der Schmach von München ziehen. Wenn es ihm gelingt, an der Niederlage zu wachsen, wird er ein Großer seiner Zunft werden.