Stuttgart -
Herr Jäger, im Gegensatz zu Hamburg, München und Berlin galt der Stuttgarter Wohnungsmarkt bisher als recht stabil und ein Immobilienkauf als sichere Anlage. Gilt das immer noch in Zeiten, in denen vor einer Immobilienblase gewarnt wird?
Ja, und zwar vor allem deshalb, weil die Mieten bisher mit dem Preisanstieg mitziehen. Kritisch wird es ja dann, wenn die Mieten deutlich hinter den Preisen zurückfallen, wenn die Rendite nicht mehr so gewährleistet ist. Diese Tendenz sehe ich in Stuttgart noch nicht. Auch ist es hier so, dass die Zahl der Wohnungen, die jährlich neu dazukommen, mit etwa 1500 abzüglich rund 300 wegfallender alten Wohnungen im Rahmen bleibt. Es zeichnet sich kein Überangebot ab.
Was läuft hier anders als in anderen Großstädten?
Wir haben in Stuttgart relativ viele mittlere Anleger, auch solche, die ihr Vermögen streuen und ihr Geld nicht nur in Immobilien anlegen. Das heißt, dass ausgewählt wird, dass nach Qualität geschaut wird, dass bewusst gekauft wird und man sich nicht von einer allgemeinen Marktpsychologie anstecken lässt. Gerade in Boomphasen ist es immer etwas kritisch, dass Psychologie eine große Rolle spielt und weniger die sachliche Überlegung. Es gehört einfach zur schwäbischen Mentalität, dass man mit Vermögen, mit dem Geld eher bewusster umgeht und sich nicht so schnell anstecken lässt.
Wie macht sich die Finanzkrise seit dem Jahr 2008 in der Stadt bemerkbar, gerade vor dem Hintergrund dieser Mentalität?
Wir haben die Finanzkrise im Gesamtumsatz auf dem Immobilienmarkt gespürt, aber weniger bei den Preisen. Es war zunächst eine allgemeine Zurückhaltung da, aber es war nicht so, dass die Preise eingebrochen wären. Jetzt haben wir seit 2009 leichte Steigerungsraten, die aber nicht überbordend sind. Wir reden hier zwischen 2009 und Anfang 2012 von einem Plus von etwa fünf Prozent bei Bestandswohnungen und sechs Prozent bei Einfamilienhäusern. Lediglich im Mehrfamilienhausbereich ging es deutlich nach oben, da liegt die Steigerung seit 2009 bei rund 21 Prozent. Hier ist das Angebot eng.
Makler klagen darüber, dass ihnen die Objekte ausgehen. Ist das Werbegetrommel oder Realität?
Vielleicht ist es ein Stück weit beides. Neubauwohnungen werden wirklich gut verkauft, wenn Lage und Qualität stimmen, da gibt es eine sehr hohe Nachfrage. Diese kann aber kaum bedient werden, wobei man schon von einem Nachfrageüberhang sprechen muss. Nur der wirkt sich in Stuttgart nicht so auf die Preise aus. Da meine ich: wenn die Käufer in dieser Situation nicht bereit sind, auch höhere Preise zu bezahlen, dann ist der Markt noch im Lot.
Eine Immobilienblase hat sich bisher also nicht gebildet und wird sich auch nicht bilden?
Nein, ich spreche jetzt fürs nächste Jahr. Was danach kommt, das weiß man nicht. Wenn es mal in Richtung Psychologie geht, dann wird es schwierig. Das ist ja das, was in Hamburg oder Berlin gerade sehr stark läuft, dass die Leute Angst haben, dass ihr Geld kaputtgeht und glauben, sie müssten das jetzt schnell in Beton anlegen. Eine solche psychologische Situation, die zu stark überhöhten Preisen führt, haben wir hier noch nicht.
Führt die starke Nachfrage dazu, dass auch Ladenhüter, also schlechtere Objekte, plötzlich Käufer finden?
Richtige Ladenhüter gibt es nicht. Es gibt aber wenig günstige Mietwohnungen, deshalb finden auch solche Objekte noch Käufer, weil man sich sagt, dass man diese immer an sozial schwächere Haushalte vermieten kann. Das Mietausfallrisiko ist hier aufgrund der guten Beschäftigungslage ja relativ gering.
Wie sieht die aktuelle Preisentwicklung aus, und wo sehen sie das Ende der Fahnenstange erreicht?
Die Schere zwischen Bestand und Neubau geht immer weiter auseinander, der Standard heute ist einfach besser, denken Sie allein an die energetischen Maßnahmen. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis im Bestand betrug 2011 rund 1950 Euro, im Neubau 3400 Euro. Die Schallmauer für den Durchschnitt im Neubau sehe ich bei knapp 4000 Euro, aber nicht schon im nächsten Jahr. Wir werden weiterhin Steigerungsraten haben: im Neubau um die sechs Prozent, im Bestand so vier bis fünf Prozent.
Das Gespräch führte Hildegund Oßwald.