Interview – Wie werden unsere Träume wahr? – Kölner Stadt

Wer sich hinter seiner Schrankwand verbarrikadiert, immer nur den gleichen Sender im Fernsehen einschaltet, weil man es so gewohnt ist, der droht in einen todesähnlichen Zustand zu verfallen. Dann kann die Schrankwand auch zu einer Art begehbarem Sarg werden.“ So formuliert Stephan Grünewald die Aufforderung zu träumen und Lebensträume zu verwirklichen. Der Geschäftsführer des Rheingold-Instituts mit Sitz in Köln analysiert die Gesellschaft und die Psyche der Menschen. Am 25. und 29. November wird er zusammen mit anderen Experten und prominenten Gästen beleuchten, warum Menschen ihre Lebensträume zumindest ansatzweise erfüllen sollten, und was sie oftmals daran hindert (siehe Info).

Herr Grünewald, gibt es Phasen, in denen es uns leicht fällt, unsere Träume zu leben?

Stephan Grünewald In den Lebens-Übergangsphasen, also beispielsweise nach dem Abitur oder nach dem Studium. Das sind Umbruchphasen, in denen wir bereit sind zu experimentieren, in denen wir Träume zulassen, weil wir noch nicht in Zwängen verankert sind.

Macht die Jugend es uns also vor, wie man seine Träume leben kann?

Grünewald Jugendliche tun sich heute schwerer mit dem Träumen, denn sie leben in einer zerrissenen und brüchigen Welt. Nichts ist mehr von Bestand. Selbst ein Bundespräsident und ein Papst „desertieren“, wie wir erfahren haben. Die jetzige Jugend ist eine Biedermeier-Generation mit Träumen und Sehnsüchten nach Verlässlichkeit und Sicherheit oder dem wunderbaren Refugium eines Schrebergartens, weil diese kleine Welt den großen bedrohlichen Freiräumen einen Rahmen gibt.

Wann und wie wird den Lebensträumen die Seele eingehaucht?

Grünewald In der Nacht, wenn die Motorik stillgelegt ist, wenn die Gedanken Narrenfreiheit haben. In diesen Phase sind wir nicht eingespannt in Aufgaben und können erst einmal Träume entwickeln. Wir müssen sie ja nicht sofort leben, sondern sind in einem Schwebezustand, der uns erlaubt zu erfahren, was mit uns los ist.

Die meisten Menschen geben aber an, dass sie sich an ihre Nachtträume überhaupt nicht erinnern?

Grünewald Träume sind ja auch kein Quiz, bei dem ich morgens Rede und Antwort stehen und rapportieren muss, an was ich mich erinnere. Träume schieben sich mitunter ganz selbstverständlich in unser Tagesbewusstsein. Und morgens oder mittags, bei einer Tasse Kaffee, spüre ich, wofür ich offen sein will.

Welche Qualitäten hat der Nachttraum?

Grünewald Er veranschaulicht in seinen Sinnbildern, wie wir leben könnten. Das ist oftmals eine Belastung und auch Zumutung für den Menschen, denn der Nachttraum legt den Finger in die Tageswunde. Der Nachttraum sagt mir: Verändere dich – tu was!

Warum kann ich nicht meinen Tagträumen folgen, zumal sie mir vielleicht präsenter und nicht so belastend sind?

Grünewald Tagträume sind nicht so inspirierend und nicht so herausfordernd. Denn Tagträume haben vor allem tröstende und kompensatorische Funktionen. Tagträume befassen sich in der Regel mit Macht- oder sexuellen Fantasien, die wir im offiziellen Alltag nicht ausleben können. Wenn der Vorgesetzte sich über meine vermeintliche Unzulänglichkeit beschwert, dann tut es mir gut sich vorzustellen, dass ich ihn in den Hintern trete. Hätte Brüderle an der Bar nur geträumt, wäre ihm viel erspart geblieben.

Wer beeindruckt Sie, weil er seine Träume gelebt hat?

Grünewald Das sind Menschen, die ihre Ideen und Lebensträume auch gegen Widerstände konsequent umsetzen. Jeder, der mit Herzblut und Visionen sein Lebenswerk vollendet. Gustav Mahler beispielsweise, der in jeder freien Minute komponiert hat. Oder aber Sigmund Freud, der ein Leben lang auf den Spuren des Unbewussten war und die Psychologie revolutioniert hat.

Was zählt für Sie nicht mehr zu den Lebensträumen?

Grünewald Wenn ich davon träume und mir zum Ziel gesetzt habe, endlich mal in die Karibik zu fahren. Das ist eine schöne Idee, aber nicht bewundernswert und auch kein Lebenstraum.

Warum fangen wir erst gar nicht an zu träumen, warum hören wir auf zu träumen und was zerstört unsere Träume?

Grünewald Träume und Lebensträume haben eine faszinierende Verheißung. Sie treiben uns ins Ungewisse und auf Neuland. Aber wir lieben nun mal das sichere Unglück mehr als das unsichere Glück. Das Suchen nach neuen Wegen macht uns Angst. Lieber bleiben wir in dem uns vertrauten Hamsterrad. Wir selbst zerstören unsere Träume und ersticken sie in Überbetriebsamkeit. So verhindern wir, dass Träume überhaupt entstehen können.

Ist die Sehnsucht, seine Lebensträume zu leben, eine Ur-Sehnsucht des Menschen?

Grünewald Ja, denn Träume sind die Triebfeder menschlichen Lebens. In jungen Jahren sind wir traumbegabt. Wir haben Entwicklungsbilder in uns. Das krabbelnde Kleinkind sieht seine Geschwister, die schon laufen können. Also setzt es alles daran, auch laufen zu können. So lange wir in einem Entwicklungsstadium sind, haben wir Ideale und Träume. Später müssen wir unser Sicherheitsdenken, unsere Träume und unsere Fantasie in Einklang bringen.

Was tun wir uns an, wenn wir unsere Träume nicht leben?

Grünewald Dann schränken wir uns selber zwanghaft ein. Wir hocken in dem von uns selbst gezimmerten Käfig, von dem wir uns versprechen und erhoffen, dass er uns Sicherheit gibt. Das kann auch ein goldener Käfig sein, der alle Vorstellungen des Wohlstands verheißt.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ veranstaltet zusammen mit der Pronova BKK zwei große Publikumsabende im Gürzenich, Martinstraße 6, Köln

Mit dabei sind am 25. und 29. November, 19 Uhr:

Stephan Grünewald, Diplom-Psychologe und Geschäftsführer des Rheingold-Instituts, Bestseller-Autor von u .a. „Deutschland auf der Couch“

Professor Karlheinz Ruckriegel, Glücksforscher und Ökonom von der Technischen Hochschule Nürnberg

Markus Studer, Herzchirurg aus der Schweiz, der seinen großen Lebenstraum erfüllt hat und Truck-Fahrer wurde

Prominenter Gast bei der ersten Veranstaltung am 25. November:
Henry Maske, der „Gentleman-Boxer“, der 31 von 32 Kämpfen gewann und seinen Lebenstraum mit jeder Muskelfaser seines Körpers verwirklichte

Prominenter Gast 29. November:
Joachim Wissler, einer der weltbesten Drei-Sterne-Köche, Chef des „Vendôme“-Gourmet-Restaurants im Grandhotel Schloss Bensberg, der seinen Lebenstraum lebt

Moderation: Marie-Anne Schlolaut

Karten für 15,85 Euro inkl. VVK-Gebühren sind ab sofort erhältlich. Abocard-Inhaber und Pronova-Versicherte zahlen 14,55 inkl. VVK, Schüler und Studenten 12,60 inkl. VVK.

Kartenverkauf im Service-Center , Breite Straße 72, Köln, mo–fr 10–17.30 Uhr, sa 10–14 Uhr oder bei Kölnticket: ☎02 21/ 28 01

www.koelnticket.de

Träume zu leben kostet mich also enorme Kraft?

Grünewald Da bin ich mir nicht so sicher. Derzeit wendet die Gesellschaft, so erschöpft wie sie ist, anscheinend mehr Kraft auf, um Traumimpulse zu unterdrücken. Wir leisten es uns nicht mehr, innezuhalten. Aber wer nicht träumt, der ist nicht schöpferisch, sondern nur erschöpft. Nur Träume halten uns lebendig.

Dem Lebenstraum zu folgen heißt, eingefahrene Bahnen zu verlassen und schürt die Angst vor dem Absturz.

Grünewald Wer nichts riskiert, der kann natürlich auch nicht abstürzen, wird aber langfristig zu einem Loser, weil sein Leben neurotische Formen annimmt. Je mehr wir uns eingrenzen, desto mehr vermeiden wir schmerzliche Erfahrungen. Doch am Ende ist das beschränkte Leben die schmerzlichste Erfahrung. Wer zuletzt verliert, der verliert am besten.

Gern hängt man den Träumen seiner Jugend nach. Kann man diese Träume nachträglich realisieren?

Grünewald Man kann den Jugendtraum sicherlich wieder aufgreifen und prüfen, ob er noch angemessen ist oder ob er nur eine Fixierung auf längst vergangene Zeiten widerspiegelt. Jeder muss für sich spüren und erkennen, was für ihn noch erstrebenswert ist.

Muss man sich, je älter man wird, von seinen Lebensträumen verabschieden?

Grünewald Ich muss mit 70 ja nicht mehr die ganz großen Sprünge machen, aber die Möglichkeiten, wachsam und experimentierfreudig zu sein, die sollte ich schon nutzen.

Viele Menschen tun sich schwer damit, ihren Lebenstraum zu leben. Fürchten wir uns vor unseren Träumen?

Grünewald Ja. Träume haben auch eine angstvolle Seite, weil wir nachts, wenn wir träumen, die Dinge, die wir am Tag als störend verdrängen, neu und anders erleben. Träumen ist keine Wellness-Tour. Nur wer sich in Frage stellt, stellt sich auch seinen Träumen.

Das Gespräch führte Marie-Anne Schlolaut

1. Der Schlaf vor Mitternacht ist der Beste
Diese alte Weisheit stimmt so nicht mehr. Sie stammt aus einer Zeit, als die Menschen weit vor Mitternacht ins Bett gingen. Entscheidender ist, dass der Schlaf in den ersten Stunden nach dem zu Bett gehen möglichst ungestört ist. In dieser Zeit sind die Tiefschlafphasen am längsten, in denen sich der Körper am besten erholt. (Bild: dpa)


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