Foto: Ronald Bonss
Mit der Klopftechnik sollen Kinder, aber auch Erwachsene zur Ruhe kommen. Sie ist einfach zu erlernen.
erschienen am 11.01.2016
Gefühle sind ein Ergebnis der Körperwahrnehmungen. Davon sind viele Psychologen überzeugt. Im Umkehrschluss bedeutet das: Geraten die Emotionen aus dem Ruder, muss man den Körper mit einbeziehen. Eine Therapie ist PEP, eine Klopftechnik aus der prozessorientierten energetischen Embodiment Psychologie. Angewandt wird sie im Coaching sowie in der Stress- und in der Traumatherapie sowie in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, sagt die Dresdner Kinder- und Jugendtherapeutin Claudia Reinicke - und erklärt, wie die Technik funktioniert. Martina Hahn hat mit ihr gesprochen.
Frau Reinicke, kann man sein Kind glücklich klopfen?
Vielleicht nicht unbedingt glücklicher, aber man kann ihm durch das Klopfen Stress ersparen und das Kind aus angstbesetzten Situationen herausholen. Übrigens klopfen nicht Sie das Kind. Das Kind klopft sich selbst, sobald es alt genug ist.
Ist die Technik nur für Kinder geeignet?
Nein, die Klopftechnik ist für jeden geeignet, auch für Erwachsene. Für jemanden mit wenig Selbstvertrauen ebenso wie für jemanden mit Flugangst, Prüfungsangst, Auftrittsangst. Sie kann dem Sportler helfen, der auf den Punkt Leistung bringen muss, oder dem Parkinsonpatienten. Dem hyperaktiven Schüler, der impulsiv reagiert, ebenso wie dem Kleinkind, das weint, sobald die Mutter den Kindergarten verlässt - hier kann die Kindergärtnerin den Kleinen auf den Schoß nehmen und klopfen. Die Technik hilft auch einem gestressten frisch Operierten sowie der Frau, die Stress mit ihrem Mann hat.
Wie funktioniert diese Hilfe?
Es gibt einen Bereich in unserem Kopf, in dem die Emotionen gespeichert sind. Wir nennen ihn das "emotionale Hirn". Es reagiert ungeheuer schnell. Zwei Beispiele: Leidet ein Mensch an Spinnenphobie, erfolgt über dieses emotionale Hirn sofort eine Reaktion. Der Mensch läuft schreiend weg, obwohl das die Situation nicht löst. Ein anderes Beispiel: Die Tochter hat keine Lust auf Hausaufgaben. Der Vater sieht es, und sofort spulen sich dieselben Muster ab: Er ist sauer, sie motzt zurück oder verweigert sich. Das Ergebnis: Beide sind stinkig. Hier setzt das Klopfen an. Der Impuls bewirkt über die Nerven im emotionalen Hirn eine Veränderung.
Mit dem Klopfen kommt es erst gar nicht zur Flucht vor der Spinne oder zum Zoff mit dem Vater?
Ja. Das emotionale Hirn hat ja immer Vorfahrt. Hingegen kommt es durch das Klopfen zu einer Verzögerung dieser neuropsychologischen Reaktionsmuster. Die Reaktion ist nicht so stark, weil man diesen emotionalen Bereich im Hirn irritiert. Dadurch werden Zeit und Kapazitäten geschaffen, um diejenigen Bereiche in der Hirnrinde zu aktivieren, die Problemlösungen produzieren. Sie sind jetzt erst in der Lage, andere Reaktionswege zu sehen.
Woher stammt diese Technik?
Abgeleitet ist sie von der energetischen Psychologie, sie hat aber eine ganz eigene Denkweise entwickelt. Die Themen Selbstberührung und Selbstmassage als beruhigendes Element haben zudem in der chinesischen und in der ayurvedischen Medizin ihren Ursprung. In der Klopftechnik steckt ganz viel uraltes Wissen.
An welchen Stellen klopfe ich mich?
Es gibt 16 Punkte. Unter dem Schlüsselbein etwa, dem "Selbstwertpunkt". An der Handkante, Stirn, der Nagelbettkante. Jeder entwickelt seine Lieblingspunkte. Aus meiner Erfahrung mögen Erwachsene eher die Fingerregion - das hat den Vorteil, dass es keiner bemerkt, wenn ich mich beispielsweise vor einem Vortrag zur Beruhigung klopfe. Kinder mögen oft den Punkt an der Stirn. Das ist witzig: Sie können sich, bevor sie wegen der Eltern oder dem Lehrer auf die Palme gehen, mit dem Finger an der Stirn klopfen - und zwar an einer Stelle, an der man anderen normalerweise den Vogel zeigt. Auch deswegen ist es nicht schlecht, wenn ein Kind, das sich klopft, Eltern und Lehrer darüber informiert.
Ist die Klopftechnik schwer zu lernen?
Nein. Sie ist ganz leicht erlernbar. Es gibt Bücher, die die Technik sehr gut erklären. Oder Kurse. Ich zeige meinen jungen Patienten, wie es geht - gerade am Anfang ist es gut, wenn einem jemand von außen hilft und mal mit draufschaut. Dennoch: Falsch machen kann man bei der Technik nichts. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass du dich klopfst und es passiert nichts.
Was macht den Charme dieser Technik aus?
Dass man den Effekt sofort spürt. Etwa, wenn man vor einem Vortrag aufgeregt ist oder im Flieger sitzt oder als Kind unruhig auf dem Stuhl hin und her rutscht oder spürt, wie Wut oder Ärger in einem hochkochen - dann klopft man sich einfach drei Minuten lang oder auch länger. Reizvoll ist die Klopftechnik auch, weil sie selbstwirksam ist: Jeder kann immerzu und an jedem Ort mit dem Klopfen seine Emotionen oder Ängste in andere Bahnen lenken. Das stärkt das Selbstvertrauen: Wer Angst hat, fühlt sich ja vor allem hilflos - und spürt noch mehr Angst. Doch mit der Klopftechnik stellt der Betroffene ganz plötzlich fest: Ich bin ja gar nicht hilflos. Ich kann selbst etwas gegen meine Ängste oder Blockaden tun.
Hilft die Klopftechnik immer?
Nein. Es gibt Blockaden, die eine tiefere Betrachtung erfordern. Solche Probleme verhindern, dass ich mir selbst helfen kann - dann muss ein Experte draufschauen.
Sie schulen auch Lehrer in der Klopftechnik?
Ja, ich finde es ganz wichtig, Lehrer mit einzubeziehen. Warum soll sich ein Lehrer vor einer Prüfung nicht vor die Klasse stellen und sagen: Jetzt klopfen wir uns alle mal eine Runde? Das hilft den unruhigen und aufgeregten Kindern in der Klasse - und die anderen freuen sich über die willkommene Abwechslung. Außerdem hilft die Technik den Lehrern selbst, die Herausforderungen des Alltags gelassener zu meistern,
Die Bücher Claudia Reinicke: "Klopfen mit Kindern", Herder Verlag, 2016; sowie: "Mit ADHS und Freude durch den Schulalltag", Carl-Auer-Verlag 2014. info@coachess-reinicke.de
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