Mit Hochdruck suchen Behörden und Forscher nach Möglichkeiten, die ägyptische Tigermücke unschädlich zu machen, die das Zika-Virus überträgt. Die Idee der Internationalen Atomenergiebehörde ist es, Millionen männlicher Moskitos zu züchten, kurz radioaktiv zu bestrahlen und dadurch unfruchtbar zu machen. Freigelassen, paaren sich diese Labortiere mit Weibchen, aus deren Eiern kein Nachwuchs schlüpft.
Für diese Methode der Reduktion der Wildpopulation kommen auch gentechnisch veränderte Moskito-Männchen infrage, deren Erbgut Nachkommen bereits im Larvenstadium tötet. Die britische Firma Oxitec testet schon seit Jahren genmanipulierte Tigermücken, um das Dengue-Fieber einzudämmen, das sie ebenfalls übertragen. In Freisetzungsversuchen wurden Millionen solcher Tiere in die Natur entlassen – unter anderem in Städten im Nordosten Brasiliens, dort, wo sich das Epizentrum des Zika-Ausbruchs befindet. Aus diesem Grund kommen nun Spekulationen über einen Zusammenhang zwischen der Freilassung genmanipulierter Moskitos und dem Ausbruch der Epidemie auf.
Unkontrollierbare Ausbreitung
Das Zika-Virus wurde erstmals 1947 in Afrika entdeckt, war seither aber nur sporadisch aufgetaucht. Es waren meist kleine Fälle, die sich in keiner Weise mit der heutigen Situation in Mittel- und Südamerika vergleichen lassen. Seit Oktober letzten Jahres breitet sich der Erreger in weiten Teilen des Kontinents und besonders in Brasilien rasant aus.
Die Freilassung der Gentech-Mücken sei «sehr erfolgreich» verlaufen, liess sich Danilo Carvalho im Sommer 2015 in der «Süddeutschen Zeitung» zitieren. «Die Population der ägyptischen Tigermücke hat zeitweise um 90 Prozent abgenommen», so der Biologe von der staatlichen Universität São Paulo, welcher die Experimente wissenschaftlich begleitet hat. Allerdings war unklar, ob dadurch, wie erhofft, auch die Häufigkeit der Ansteckungen mit Dengue-Fieber gesenkt werden kann. Zudem könnten sich die Menschen ja auch in Gegenden infizieren, die sich in der Nähe der durchgeführten Tests befinden würden, beschrieb Carvalho das Problem.
Die Ausbreitung der veränderten Tiere in der Natur ist aus Sicht verschiedener Wissenschaftler ein unkontrollierbares Risiko. Kenneth Oye vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge forderte in der Fachzeitschrift «Science» kürzlich strengere Regeln für diese Art von Forschung. Sein Kollege Kevin Esvelt, der am Wyss-Institut in Cambridge selbst an Genmanipulationen forscht, verlangt von Biologen die Entwicklung von Methoden, mit denen man die gentechnisch veränderten Insekten im Notfall wieder loswerden kann. Sogar die Internationale Atomenergiebehörde gab zu, dass ihre Methode mit den radioaktiv bestrahlten Moskitos nur in Städten bis zu 200'000 Einwohnern anwendbar sei, da sonst die Verbreitung der Tiere nicht mehr kontrollierbar wäre.
Gen wird durch Antibiotikum ausgehebelt
Auch in wissenschaftlichen Kreisen in Brasilien wächst die Kritik am Einsatz von manipulierten Tigermücken-Männchen. Im Labor werden sie in einer Tetrazyklin-Suspension, einem Antibiotikum, herangezüchtet, damit sie das initiierte Unfruchtbarkeitsgen überleben. Im Freien überleben die Tiere dann nur ein paar Tage. «Doch was ist, wenn die Mücke in der Natur auf Tetrazyklin trifft?», fragt José Maria Gusman Ferraz. Der Biologe der Universität Campinas weist in der «Süddeutschen Zeitung» darauf hin, dass das Antibiotikum in der brasilianischen Tierzucht weit verbreitet sei. Es gelangt über die Abwässer der Tierställe in die Natur. Die manipulierten Mückenmännchen könnten dadurch länger überleben oder gar Abwehrmechanismen gegen das verabreichte Gen entwickeln.
Ein weiteres Problem bei der Züchtung genmanipulierter Moskitos ist die einwandfreie Trennung der Geschlechter anhand der Körpergrösse. Laut dem Biologen Danilo Carvalho, der die Tests in Brasilien mitverfolgt hat, kommen auf eine Million freigesetzter Männchen, die nicht stechen, bis zu 150 gentechnisch veränderte Weibchen, welche das Zika-Virus theoretisch auf den Menschen übertragen können. «Das ist eine unvermeidbare Fehlerquote», sagt Carvalho.
Tritt auf der anderen Seite die beabsichtigte Dezimierung der Tigermücken-Population ein, würde eine ökologische Nische frei, die in der Natur üblicherweise sofort von einer anderen Art eingenommen wird. «Wir können schlecht absehen, was passiert, wenn wir eine Art aus einem grossen Ökosystem entfernen», sagte Todd Kuiken im Fachblatt «Nature». Der Forscher vom Woodrow Wilson Center in Washington ist einer der Kritiker, die befürchten, dass durch das Verschwinden von Insektenpopulationen neue Schädlinge und Krankheitserreger auftauchen könnten – zum Beispiel das Zika-Virus.
«Angstmacherei» und «Verschwörungstheorie»
An den oben erwähnten Spekulationen über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Freilassung genmanipulierter Tiere und dem Ausbruch der Zika-Epidemie gibt es aber auch grosse Zweifel. Als «Angstmacherei» bezeichnet Tanjim Hossain von der University of Miami die Diskussion im Wissenschaftsmagazin «Discover». Dieses spricht von einer «Verschwörungstheorie» und beruft sich dabei unter anderem auf den Biologen Alex Perkins, der sich für den Einsatz gentechnisch modifizierter Mücken im Kampf gegen das Virus starkmacht.
Auch für andere Forscher überwiegen die Vorteile. Zum Beispiel Biologe Ernst Wimmer, der an der Universität Göttingen Techniken ähnlich derjenigen der Firma Oxitec entwickelt, mit denen Mücken oder Fliegen genetisch so verändert werden, dass sie keine Nachkommen haben. Er kann mit den Spekulationen über eventuelle Folgen eines Einsatzes solcher Tiere nichts anfangen: «Es kann kein Argument sein, ein substanzielles medizinisches Problem wie Malaria, Dengue-Fieber oder auch Zika nicht anzugehen, nur weil die Möglichkeit nicht auszuschliessen ist, dass daraus irgendwann später noch ein anderes Problem entstehen könnte», sagte er gegenüber der «Zeit». Befürchtungen, die künstlichen Gene könnten sich in der Natur ungewollt verbreiten oder gar auf andere Arten übertragen werden, hält Wimmer nicht für stichhaltig. Allen Spradling von der Carnegie Institution in Washington findet sie übertrieben.
Frühere, erfolgreiche Einsätze genmanipulierter Tiere machen ihnen Hoffnung. So wurde 1997 auf der Insel Sansibar die Tsetsefliege – Überträgerin der Schlafkrankheit – ausgerottet, nachdem man radioaktiv bestrahlte Männchen freiliess. Auch die Schraubenwurmfliege in Nordamerika und die Mittelmeerfruchtfliege in Mittelamerika sind auf diese Weise besiegt worden. Allerdings handelte es sich damals um andere Insekten als die Moskitos beim Zika-Virus. Entsprechende Versuche bei der Malaria-Mücke Anopheles scheiterten. (DerBund.ch/Newsnet)
(Erstellt: 04.02.2016, 16:17 Uhr)
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