Dass Männer die Arbeitswelt dominieren, ist nicht rational, sondern eine Zwangsmaßnahme zu ihren Gunsten. Aufklärung hilft dagegen nicht, schreibt Unternehmer S. Noller.
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Wer Psychologie studiert, lernt schnell, wie relativ menschliche Wahrnehmung ist. Alles, was wir für objektive Sinneseindrücke halten, erweist sich als relativ und von Umständen und sozialen Einflüssen geprägt. So können Menschen zum Beispiel schon nach kurzer Zeit mit einer Umkehrbrille, die alle Bilder Kopf stehen lässt, Fahrrad fahren. Das menschliche Wahrnehmungssystem passt sich mit ein wenig Übung an die neuen Gegebenheiten an.
Die Sozialpsychologie befasst sich mit der nächsten Stufe, der Manipulation. Teilweise dramatische Experimente wie das sogenannte Gefängnis-Experiment von Zimbardo konnten immer wieder demonstrieren, wie subtil und wie grundlegend alle Aspekte unseres Tuns beeinflusst werden können. Und natürlich sind wir uns dessen meist nicht bewusst, häufig noch nicht einmal dann, wenn man uns über den Effekt aufgeklärt hat.
Eine Konsequenz ist die dringende Empfehlung, nicht zu viel auf Eindrücke von Bewerbungsgesprächen zu geben, da es aufgrund dieser Mechanismen keine faire und sachliche Auswahl von Kandidaten geben kann. Auch die Initiative, Bewerbungen nur noch ohne Foto einzureichen, beruht auf diesen Erkenntnissen. Sie will Vorurteile vermeiden und Menschen, die es sonst schwerer hätten eingeladen zu werden, eine Chance geben.
Ähnlich subtil sind die Wirkungen, wenn es um Sprache geht. Wer eine Stelle im Management besetzen will, macht im Zweifel schon in der Wortwahl der Stellenanzeige deutlich, dass er dabei nicht an eine Frau gedacht hat. Denn wer nach einem Manager für das Auslandsgeschäft sucht, mag bereit sein, eine Frau einzustellen. Allein schon, dass dort nicht von einer Managerin die Rede ist, wird Frauen weniger ansprechen und weniger erwünscht erscheinen lassen.
Weil Männer das so wollen
Was das alles mit der Frauenquote zu tun hat? Egal, welche Position man betrachtet, ob Vorstände, Aufsichtsräte, Professoren-Ämter, leitende Verantwortung – selbst am CSU-Stammtisch wird es keinen Zweifel daran geben, dass Frauen dort unterrepräsentiert sind. Wenn es darum geht, in diesem Land Verantwortung zu tragen, Macht auszuüben oder Geld zu verdienen, haben Frauen schlechtere Chancen, weil Männer da so wollen.
Was bleibt, sind ein paar Randbedingungen wie Kinderbetreuung, flexible
Arbeitszeiten und so weiter. Bei diesen steckt der Skandal bereits
darin, dass man diese Faktoren nur Müttern als hinderlich für die
Karriere-Entwicklung anrechnet und nicht in gleicher Weise den Vätern.