Die Augenbrauen zusammengezogen, Zornesfalte dazwischen, angespannt die Augenlider, der Blick stechend, zusammengepresst die Lippen oder zum Schrei geöffnet der Mund, Kinn angehoben, geweitet die Nasenflügel – so sieht Ärger aus.
Das sind Kriterien nach dem FACS, einem System zur Gesichtserkennung, mit dem Psychologen nonverbale Ausdrücke mit Emotionen in Verbindung setzen. Gibt es ein Leben ohne Ärger?
Gründe für Ärger gibt es zahlreiche, kleine und große. Ob über den Nachbarn, beim Autofahren, über die hohe Rechnung des Zahnarztes, die Zugverspätung, das Wetter oder auch über das, was in der Zeitung steht – vieles kann auf die Nerven gehen.
Ob sich das Gefühl von Ärger jedoch oft oder selten, rasch oder gar nicht einstellt, hängt von jedem Menschen selbst ab. Denn die möglichen Reaktionen auf Ungemach und Ärger sind vielfältig, die Spanne ist sehr weit von Wut bis Gleichgültigkeit.
Ärger ist ein Grundgefühl, noch keine Störung
Ärger ist ein Gefühl, noch keine Störung. Selbst Kleinkinder ab einem Alter ab zwei Monaten können schon Ärger empfinden, sagen Psychologen. Ärger ist ein Grundgefühl, quasi in die Wiege gelegt. Der Umgang damit ist dann aber eine Frage der Sozialisation, der Anpassung an gesellschaftliche Verhaltens- und Gefühlsmuster.
"In geringer Ausprägung, als Unzufriedenheit, ist Ärger auch einer unserer normalen Motivationsfaktoren, um etwas Veränderbares anzupacken", sagt Dr. Harlich H. Stavemann, Verhaltenstherapeut in Hamburg. "Wenn jemand gezielt meine Ziele sabotiert, ist Unzufriedenheit eine durchaus angemessene Reaktion. Sie motiviert dazu, zu überlegen, was ich dagegen unternehmen, wie ich mich dagegen wehren kann."
Wenn Ärger überbordend wird
Erst die Intensität des Ärgers kann zu gesundheitlichen Problemen führen, die sich auch körperlich äußern können, etwa am Herz-Kreislauf-System. "Wer sich zu häufig und zu intensiv ärgert, gerät nicht nur aus dem emotionalen Gleichgewicht und fährt dadurch negative soziale Konsequenzen ein – wer mag schon dauerunzufriedene Nörgler oder Wutbolzen –, sondern riskiert auch einschneidende körperliche Reaktionen in Form psychosomatischer Erkrankungen", sagt der Psychotherapeut, der Bücher zu Lebenszielen, Selbstwert und Geringer Frustrationstoleranz vorgelegt hat (Beltz Verlag).
Ärger ist per se noch kein psychisches Problem, in der Internationalen Klassifizierung der Erkrankungen (ICD-10), darunter die psychischen, ist Ärger nicht unmittelbar vorgesehen. Zu diagnostizieren sind jedoch mögliche Folgen, die der Umgang mit Ärger zeigen kann. Wenn das Gefühl überbordend wird, wenn es blockiert oder – extremer – wenn es zu Wut- oder Gewaltausbrüchen kommt. "In starken Ausprägungen, zum Beispiel als Wut, führt Ärger regelmäßig zu unerwünschten sozialen und gesundheitlichen Nebenwirkungen. Zudem reagieren manche Menschen dann so unbedacht, dass ihnen ihre Wutreaktion schwerwiegende negative Konsequenzen einbringt", sagt Psychotherapeut Stavemann.
Ärger und die Folgen
Folgen können Rückzug, Frustration und Verbitterung sein. Wenn Ärger als Reaktion auf Belastungen Gefühlserleben und Verhalten dominiert, könnte eine Anpassungsstörung vorliegen, wie es in dem Diagnosehandbuch heißt.
Schwerwiegend sind besonders lange Ärgerphasen, immer dann, wenn darüber gegrübelt wird, ohne dass es zu einer Lösung oder einem Abbau der Spannung kommt.
Ärger und Unrecht
Wenn der Ärger zudem als Unrecht empfunden wird – dies passiert laut Untersuchungen häufiger im Berufsleben – hält Ärger mitunter monatelang an – mit entsprechend möglichen psychischen Folgen. Und die Reaktion nach außen: Wird Ärger intensiv erlebt, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten, so die Psychologen Prof. Georges Steffgen, Prof. Claus Vögele und Claudia de Boer ("Ärgerbezogene Störungen", Reihe Fortschritte in der Psychotherapie, Hogrefe Verlag 2014). "Bei intensiv erlebtem Ärger empfinden die betroffenen Personen einen Kontrollverlust über ihren Ärger; einige Studien weisen darauf hin, dass dies bei Frauen häufiger der Fall ist als bei Männern."
Wenn Ärger sich wie ein roter Faden durchs Leben zieht
Ärger vergeht nicht einfach, wenn der Anlass als Unrecht angesehen wird, wenn etwa eine schwere Benachteiligung in der Kindheit durch die Eltern gegenüber den Geschwistern empfunden wird. Meist wird dieser Ärger unterdrückt, aber latent ist er da und kann wieder und wieder provoziert werden. Dies kann ein falsches Wort, eine falsche Geste sein, der Anlass ist oft scheinbar unbedeutend.
Ärger zieht sich wie ein roter Faden durch manche Beziehung. "Die Ursachen dafür liegen in rigiden Denkmustern, in unrealistischen Forderungen an andere oder das Schicksal", sagt Psychotherapeut Stavemann. Daraus ergibt sich die Frage, wie Ärger klein gehalten werden kann. Wie Ärger im Gefühlsleben zwar vorhanden sein darf, ohne aber destruktiv nach außen oder innen zu wirken.
Ärger differenziert erkennen und kontrolliert ausdrücken
Als Ziele formulieren Psychologen:
- den eigenen Ärger je nach Anlass und Gewicht differenziert zu erkennen
- und kontrolliert auszudrücken, damit ein Gegenüber nicht verletzt,
- sondern das zugrunde liegende Problem gelöst wird.
- Es geht weder um Ausleben von Ärger, um Spannungen abzubauen, denn eine reinigende, kathartische Wirkung sei nicht belegt
- noch um Unterdrückung von Ärger, weil dadurch die Erlebnisfähigkeit zu sehr eingeschränkt wird.
Es gehe, so Psychotherapeut Stavemann, um den Aufbau von mehr Akzeptanz. Nach der Devise: Es ist, wie es ist – und nicht so, wie ich es mir wünsche. Andere verfolgen ihre Ziele und ich meine. "Das ist normal, auch wenn es manchmal lästig ist", sagt der Hamburger Verhaltenstherapeut.
Selbsttest im Umgang mit Ärger
Ein Fragebogen kann Klarheit über die eigenen Ziele ermöglichen. Es ist eine Anregung, daraus Ziele von 1 bis 3 zu wählen und gegebenenfalls zu verfolgen, wenn man seinen Umgang mit Ärger verändern will, weil er entweder zu heftig oder zu unterdrückend ist.
Ich möchte lernen:
- meine Wutausbrüche kontrollieren zu können
- in manchen Situationen meinem Ärger richtig Luft zu machen
- in Ärgersituationen die richtigen Worte für mein Gegenüber zu finden
- mich gelassener zu fühlen und den Ärgeranlass nicht so wichtig zu nehmen
- mein Ärgergefühl anderen offen zu zeigen und nicht alles zu schlucken
- meinen Ärger zu kontrollieren und nicht gleich bei jeder Gelegenheit herauszuplatzen
- dass ich mich traue, meinen Ärger anderen Personen gegenüber auszudrücken
- meinen Ärger positiv sehen zu können oder über die Situation zu lachen
- auch einmal mit der Faust auf den Tisch zu hauen, wenn mich etwas stark ärgert.
(Quelle: "Ärgerbezogene Störungen", Hogrefe Verlag 2014)
Lesen Sie dazu im GESUND-Magazin: Wie erkennt man seine Lebensziele?