"Bitte wähle den Schraubenschlüssel aus. Richtig, das Teil habe ich gemeint. Bewege dieses Teil als nächstes in das vordere Fach in der Mitte."
NAO ist etwa einen Meter groß, hat zwei Arme und zwei Beine, einen Kopf, sowie Hände mit Fingern zum Greifen. Mit seinem Körper aus weißem Hartplastik sieht NAO nicht einmal annähernd aus wie ein Mensch - und doch bezeichnen ihn seine Entwickler als "humanoiden" Roboter: Er wurde entwickelt, um mit Menschen zu interagieren. Forscher von den Universitäten in Bielefeld und Augsburg testeten in einem Versuch, wie Männer und Frauen auf diesen Roboter reagieren, wenn sie mit ihm eine typisch männliche Aufgabe oder eine typisch weibliche Aufgabe erledigten.
"Hier kannst Du einen Nähkasten und zwei Nähsachen sehen. Du musst jedes Teil an seine richtig Position im Nähkasten setzen. Ich werde Dich durch das gesamte Spiel und jede einzelne Runde führen. Im Folgenden werde ich Dir zuerst mitteilen, welches Teil Du auswählen musst."
Die typisch weibliche Aufgabe bestand darin, auf einem Computerbildschirm abgebildete Gegenstände in einen Nähkasten einzuräumen. Bei der männlichen Aufgabe stand stattdessen ein Werkzeugkasten im Mittelpunkt. In einem Vortest hatten die Probanden - im Durchschnitt 25 Jahre alt - das Einräumen des Nähkastens tatsächlich als spezifisch weibliche Aufgabe eingeschätzt. Das Einräumen des Werkzeugkastens wurde als typisch männliche Aufgabe bewertet. Der Roboter gab den Probanden die Anweisungen zum Einräumen. Die Personen konnten aber auch eigene Lösungsvorschläge anbieten.
"Was wir da beispielsweise finden, was ich ganz erstaunlich fand, ist, dass wenn Versuchspersonen mit einem Roboter interagiert haben, und dabei eine typisch weibliche Aufgabe erledigt haben, dann waren sie anschließend weniger bereit, auch zukünftig noch einmal mit diesem Roboter zu interagieren - unabhängig von dem Geschlecht des Roboters und sie haben auch mehr Fehler dabei gemacht, wenn sie an einer typisch weiblichen Aufgabe gearbeitet haben",
erzählt Dr. Dieta Kuchenbrandt von der Universität Bielefeld. Der Grund für die Fehlerhäufigkeit beim Einräumen des Nähkastens könnte in einer Unstimmigkeit liegen, so die Forscherin: Demnach empfänden die Probanden den doch sehr technischen Roboter schlicht als ungeeignet für die weibliche Aufgabe.
"Und das ist insofern erstaunlich, als dass ja gerade Service-Roboter eher in Bereichen eingesetzt werden sollen, zumindest wenn man sich ganz viele Bereiche, in denen Robotik geplant ist, anschaut, die eigentlich eher in den Bereich 'typisch weiblich' fallen."
Die geschlechtsstereotypischen Kategorien von Menschen scheinen also auch für Roboter zu gelten. Diese Annahme bestätigt eine Studie von Dr. Friederike Eyssel und Dr. Frank Hegel, ebenfalls von der Universität Bielefeld. Sie präsentierten ihren Probanden Bilder des Roboters FloBi mit unterschiedlichen Frisuren. Einmal war das Haar des Roboters etwas kürzer, einmal nur um wenige Zentimeter länger. Frank Hegel:
"Also wenn man das jetzt hier so sieht, dann sind die Haare zwei oder drei Zentimeter länger bei dem weiblichen Haar und das hat dazu geführt, dass der weibliche Roboter als wesentlich sozial wärmer bewertet wurde und sozial wärmer heißt dann, dass wirklich die ganze Liste an Stereotypen zugeschrieben wurde, die auch beim Menschen zum Beispiel aktiviert werden, wenn man Frauen bewertet."
Ähnlich fiel das Urteil der Probanden über geeignete Aufgaben für den weiblichen oder männlichen Roboter aus. Der weibliche Roboter sei zum Beispiel wesentlich besser in der Lage, Gäste zu empfangen, zu kochen oder Kinder bei den Hausaufgaben zu begleiten. Der männliche Roboter könne etwa besser technische Reparaturen durchführen. Offensichtlich wenden Menschen also ihre stereotypischen Vorstellungen nicht nur auf andere Menschen an, sondern auch auf Roboter. Diese Übertragung typisch menschlicher Eigenschaften auf Maschinen nennen die Wissenschaftler Anthropomorphisierung, also Vermenschlichung. Die Konsequenzen?
"Ich denke, dass das Ziel innerhalb der Robotik nicht darin besteht und auch nicht bestehen kann, Stereotype über Menschen beispielsweise zu ändern",
meint Dieta Kuchenbrandt. Stattdessen könnten die Entwickler von Robotern wie FloBi oder NAO das Design an den jeweiligen Aufgabenbereich der Maschinen anpassen. Schon heute werden "humanoide" Roboter versuchsweise in den Alltag von Menschen integriert. In Zukunft müssen Entwickler entscheiden, ob die Anpassung des Roboterdesigns an die menschlichen Stereotypen auch ethisch vertretbar ist.