© corbis/L. Kennedy
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Wien. Es ist eine gute Nachricht: Die Gesundheit steht noch mehr unter dem eigenen Einfluss als angenommen. Wer wirklich will, bleibt länger jung. Lebensbejahende Gefühle ermöglichen nämlich ein länger gesundes und vielleicht sogar längeres Leben, erklärte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Jürgen Margraf, in seiner Eröffnungsrede zu der bis heute Samstag Abend in Wien laufenden 11. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie.
Lachen, Humor und eine positive Selbstbeobachtung haben einen günstigen Einfluss auf das Immunsystem, Genesungsprozesse, Dauer und Qualität des Schlafes, Bewegungsverhalten, Stress-, Problem- und Traumabewältigung sowie den Verlauf von Depressionen. Sie schützen außerdem vor Herz-Kreislauferkrankungen - und verhindern natürlich das Zustandekommen von Depressionen, sagte Margraf in seinem Vortrag "Positive Emotionen als Schutzfaktor unserer psychischen Gesundheit".
Psychische Gesundheit
Komplexer als das Faktum selbst dürfte das Wie sein. "Es reichen nicht gute Gedanken allein. Sondern man muss entsprechend positive Gefühle haben", erläuterte Margraf am Rande der Tagung im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bochum zitierte Studien, die das Lebensalter von Mönchen, Nonnen und weltlichen Bürgern vergleichen. Während in Industriestaaten Frauen sechs bis sieben Jahre länger als Männer leben, werden in Klöstern beide Geschlechter in etwa 81 Jahre alt, zeigen die Mortalitätsdaten von 11.624 bayerischen Mönchen und Nonnen ("Population Development Review" 29/2003, 647-676). "Da Mönche und Nonnen unter ähnlichen Umständen und abgeschottet leben, muss der Unterschied für das Lebensalter viel stärker durch Umwelt und Verhalten als durch fixe, biologische Unterschiede bedingt sein", fasst Margraf zusammen.
Weiters untersuchten US-Foscher, welche Aspekte des Verhaltens den Unterschied machen. Sie studierten die Autobiografien von 180 betagten Nonnen, die diese zum Zeitpunkt ihres Eintritts in den Orden mit 22 Jahren hatten schreiben müssen. Die Forscher schauten sich an, ob die Frauen von positiven Gefühlen berichteten. Wenn ja, war die Lebenserwartung um etwa zehn Jahre höher (JPSP, 80/2001, 804-813).
Doch was genau ließ sie gesund bleiben? Der Bochumer Psychologe und seine Kollegen versuchen zu erfassen, was psychische Gesundheit ausmacht. "Vor allem Selbstwirksamkeit - die Überzeugung, dass man mit Dingen umgehen und sie bewältigen kann -, Zufriedenheit mit dem Leben und soziale Unterstützung durch stabile, vertrauensvolle Beziehungen führen zu psychischer Gesundheit", berichtet er: "Wer das Gefühl hat, dass es ihm gelingt, seine Bedürfnisse zu erfüllen, und dass er sein Leben genießt und sich ihm gut gewachsen fühlt, und das was er tut ihm Freude macht, kommt weiters schneller aus einer Depression heraus."
In der Evolution besteht ein Unterschied zwischen negativen und positiven Gefühlen. Negativ-Gefühle zielen auf schnelles Handeln ab und auf Flucht. Positiv-Emotionen hingegen erweitern die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit und damit das Verhaltensrepertoire. Dies fördert das Interesse an Neuem, Originalität und Kreativität, und damit langfristig indirekt auch die Fähigkeit zur Problembewältigung und die Gesundheit, wie Barbara Frederickson in ihrer "Broaden and Build"-Theorie postuliert.
Demnach baut das laufende Verbreitern der Wahrnehmung dauerhaft intellektuelle, körperliche und persönliche Ressourcen auf. Im Gegensatz dazu stehen negative Emotionen, die die Aufmerksamkeit auf mögliche Gefahren und spezifische, vorgebahnte Denk- und Handlungstendenzen, wie Kampf oder Flucht, einengen. In der Entwicklungsgeschichte entstanden sie oft in lebensbedrohlichen Situationen.
Wer allein in den letzten Tagen heimische Medienartikel zur Gesundheit gezählt hat, könnte nun annehmen, dass viele Menschen nach einer positiven Grundeinstellung streben. Immerhin wäre gerade im Frieden eine Balance aus körperlicher und geistiger Anregungen möglich - also Sport, körperliche Arbeit, Kino, Theater und verlässliche Beziehungen. Doch das Gegenteil liegt im Trend. Gerade in Industrieländern seien Depression und Angststörungen "auf dem Vormarsch". Eine "dramatische Zunahme der behandelten Fälle im Bereich emotionaler Störungen" würde beobachtet, erklärt Margraf. Dies hänge weniger mit der Wirtschaftskrise zusammen, als mit wachsendem Narzissmus und dem Anspruch, sich mehr über Status zu definieren als über Beziehungen und die Suche nach Sinnhaftigkeit. Die US-Psychologin Jean Twenge schließt aus Befragungen in der Zeit zwischen 1952 und 1993: Die Werte verändern sich zugunsten stärkerer Unabhängigkeit. Gleichzeitig tun sich immer mehr Menschen nichts Gutes: Margraf berichtet, dass allein in Deutschland 39 respektive 19 Prozent der Menschen angeben, sie würden sich körperlich respektive geistig "nie" betätigen. Daraus ergebe sich in der Regel keine aus positiven Gefühlen gespeiste Grundeinstellung.