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Frauen beanspruchen häufiger Sterbehilfe

Forscher der Uni Bern empfehlen ein nationales Register über Freitodbegleitungen. In einer Studie stellten sie fest: Gewisse Bevölkerungsgruppen sind empfänglicher für die Beihilfe zum Suizid.

Tödliche Substanz bei der Sterbehilfe: Natrium-Pentobarbital

Tödliche Substanz bei der Sterbehilfe: Natrium-Pentobarbital
Bild: Gaetan Bally/Keystone

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Die organisierte Beihilfe zum Suizid ist in der Schweiz legal, solange laut geltendem Recht keine «selbstsüchtigen Beweggründe» vorliegen. Gegner der Freitodbegleitung befürchten allerdings, dass diese Regelung bei verletzlichen Bevölkerungsgruppen die Hemmschwelle für einen Suizid senken könnte. Diese These wurde in einer gestern veröffentlichten Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern näher untersucht. Die Studie zeigt, dass die Freitodbegleitung in der Tat bei Menschen, die als verletzlicher gelten können, häufiger ist: Suizidbeihilfe wurde bei deutlich mehr Frauen als Männern geleistet. Wer alleine lebt und wer geschieden ist, liess sich eher in den Freitod begleiten als Verheiratete und Menschen, die sozial integriert sind. Das galt auch für Kinderlose und ältere Menschen, deren Kinder bereits erwachsen waren. Die Freitodbegleitung ist laut der Studie auch bei besser gebildeten und wohlhabenden Menschen in urbanen Gebieten häufiger, was der These widerspricht. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Die Forscher geben denn auch verschiedene mögliche Interpretationen an. Auch besser gestellte Menschen könnten isoliert und einsam sein. Möglich sei aber auch, dass Begüterte einen einfacheren Zugang zur Suizidhilfe hätten.

Fälle ohne Krankheitshinweis

Die Forscher griffen auf anonymisierte Daten des Bundesamts für Statistik zu, welche von den Sterbeorganisationen Exit Deutsche Schweiz, Exit Suisse Romande und Dignitas stammen. Die Informationen zu 1301 Fällen – 740 Frauen gegenüber 561 Männern – wurden mit Daten der Swiss National Cohort, einer Kohortenstudie der Schweizer Bevölkerung verknüpft, die ebenfalls in anonymisierter Form auf den Volkszählungsdaten basiert. Mit dieser Methode konnten die Forscher herauslesen, wo die Betroffenen wohnten, wie hoch deren Bildung war und ob sie Kinder hatten. Die Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.

Auffällig ist, dass bei rund 200 der gemeldeten Fälle in den amtlichen Sterbeurkunden ein Hinweis fehlte, an welcher tödlichen Krankheit die betroffene Person zum Zeitpunkt der Sterbehilfe litt. Assistierte Suizide sind unnatürliche Todesfälle, die von den Behörden immer näher untersucht werden, sagt Projektleiter Matthias Egger vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin. «In der Sterbehilfe gibt es allerdings keine gesetzliche Grundlage für ein zentrales Register», sagt Egger. Zwar geht er nicht unbedingt davon aus, dass es sich bei diesen Fällen um Personen handelte, die nicht sterbenskrank waren. Trotzdem empfehlen die Forscher ein nationales Register einzurichten, in dem die Behörden oder Sterbeorganisationen anonymisierte Daten über alle Freitodbegleitungen eintragen. «Der Staat hat bei diesem heiklen Thema eine Aufsichtspflicht», sagt Matthias Egger. «Ein nationales Register erlaubt es, Trends und Entwicklungen zu erfassen, und schafft die Grundlage für einen konstruktiven und informierten Diskurs in der Gesellschaft», meint Egger. Ein solches Register bedeute keinen grossen Mehraufwand.

Exit kritisiert

Die Sterbehilfeorganisation Exit entgegnet in einer Stellungnahme, dass es keine Freitodbegleitung ohne ärztliche Diagnose und Urteilsfähigkeitsbescheinigung gebe und es an den Behörden liege, die Daten korrekt zu erfassen. «Die Vereine übergeben in jedem einzelnen Fall sämtliche ärztlichen Dokumente (Hausarztzeugnis, Spezialistenbericht, Spitalaustrittsberichte etc.) an die Behörden», heisst es in der Mitteilung weiter.

Lücken im Gesetz?

Die Frage, wann organisierte Sterbehilfe legal ist, war vor gut einem Jahr im Fokus der Öffentlichkeit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass die Schweiz keine klaren Richtlinien erlassen hat, unter welchen Voraussetzungen einer Person, die nicht unter einer tödlichen Krankheit leidet, ein Rezept für eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital ausgestellt werden darf. Der Gerichtshof ging in seinem Urteil auf eine Beschwerde einer 82-jährigen Frau ein, die sich den Freitod wünschte, um dem altersbedingten körperlichen und geistigen Zerfall zu entgehen. Zum Zeitpunkt ihres Entscheides war die Frau laut einem Gutachten eines Psychiaters vollkommen urteilsfähig. Ärzte und auch die Zürcher Gesundheitsdirektion lehnten jedoch ab, ein Rezept für die todbringende Substanz auszustellen.

Die gesetzliche Regelung der organisierten Suizidhilfe im Strafrecht war in den letzten Jahren immer wieder ein Thema im Bundesrat und Parlament. Bis heute wurden jegliche politischen Vorstösse abgelehnt. Grundsätzlich ist der Bundesrat der Meinung, dass Missbräuche wie zum Beispiel Beihilfe zum Suizid bei nicht urteilsfähigen Menschen durch die heutige Gesetzgebung bekämpft werden könne. Anders sieht es das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte: Die Gesetzesbestimmung mache zwischen Beihilfe zum Suizid von todkranken und gesunden Personen keinen Unterschied, heisst es in einem Schreiben zum Urteil des Europäischen Gerichthofes.
(Bernerzeitung.ch/Newsnet)

Erstellt: 19.02.2014, 18:08 Uhr


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