Flüchtlinge: Die Reaktanz droht uns allen!

Wohin man auch schaut, das Flüchtlingsthema ist allgegenwärtig. Deutschland sieht sich einer Welle von Menschen gegenüber, die schier unfassbar erscheint.

Man spricht von Größenordnungen einer Stadt wie Frankfurt am Main, Köln oder München. Pro Jahr! Das kann natürlich auch psychologisch nicht folgenlos bleiben, es brodelt gefährlich laut.

Was sagt die politische Psychologie?

Nun ist die politische Psychologie wie eine Münze mit einer schönen und einer hässlichen Seite. Das Schöne an ihr ist, dass man dank der Psychologie menschliches Verhalten deuten und einordnen kann.

Die Kehrseite des Ganzen ist, dass diese Beschreibungen immer zunächst amoralisch sind, also rein technisch. Welche Bedeutung man Befunden gibt, ist dann erst eine Frage des nächsten Schrittes. Schauen wir uns das Thema also einmal rein technisch an.

Harte Zeiten und viele Opfer!

Die deutsche Bevölkerung musste in den vergangenen 25 Jahren viele Veränderungen und Lasten stemmen. Gerade begann die Agenda 2010 zu wirken, die Arbeitslosenzahlen sanken und die Wirtschaft setzte mit Wind aus China zu unerwarteten Höhenflügen an. Aber zu welchem Preis?

Der Wohlstand des durchschnittlichen Menschen in Deutschland hat sich keinewegs so dynamisch nach oben entwickelt wie manche Sonntagsprediger es gerne herbeireden.

Die neue Bescheidenheit!

Unter großen Reibungsverlusten nahmen wir Deutschen Abschied von so manch lieb gewonnener Gewissheit. Dass es unsere Kinder nicht automatisch besser haben als wir. Dass ein Arbeitsplatz noch keine Garantie auf Wohlstand ist. Dass viele Sozialleistungen aufgehört haben zu existieren.

Es war viel Neues zu verarbeiten, vom Trauma der Wende für so manchen Menschen in Ostdeutschland mal ganz zu schweigen.

Ein großer Irrtum?

Und nun, gerade ein paar Wochen nachdem die nächsten Milliarden nach Griechenland gepumpt wurden, strömen Menschen zu uns. Hunderttausende. Zwischen ihrem Fluchtort und Deutschland liegen, je nach Route, fünf bis neun ziemlich sichere Länder. Doch sie strömen zu uns. Nun wird jeder Mensch bei Verstand begreifen, dass es unmöglich ist, jedes Jahr mehr als 1% der Bevölkerung neu aufzunehmen.

Es droht eine massive Enttäuschung!

Solche Zahlen hält keine Gesellschaft aus und erst recht nicht die Deutsche, in der eine angespannte Realität auf die Traumbilder der Flüchtenden trifft. Beides ist kaum miteinander vereinbar.

Wenn die Flüchtlinge bald feststellen, dass auch hierzulande nicht Milch und Honig fließen - was dann? Die "Enttäuschten" und "Abgehängten" der Zukunft sind massenhaft vorprogrammiert.

Die Reaktanz setzt ein!

Das Grauenhafte ist nun, dass man kein Hellseher sein muss, um vorhersagen zu können, dass in der Bevölkerung bereits ein Mechanismus eingesetzt hat, der sich Reaktanz nennt.

Darunter versteht man eine Abwehrreaktion, die als Widerstand gegen psychischen Druck oder die Einschränkung von Spielräumen ausgelöst wird. Die Reaktanz ist eine mächtige Kraft, weil sie unbewusst abläuft. Das macht sie gefährlich und völlig unberechenbar. Ein Kollektiv im Zustand der Reaktanz ist rasend gefährlich.

Roter Alarm?

Man mag bedauern, dass die menschliche Psyche zur Reaktanz neigt. Es ändert nur nichts. Funk und Fernsehen, Print und Online können noch so viel Aufklärungsarbeit leisten wie sie wollen. Es nützt nichts! Die Reaktanz hat bereits eingesetzt.

Dies entschuldigt natürlich nichts. Reaktanz ist keine moralische Ausrede für irgendeine schlimme Tat. Aber es ist eine psychische Funktion, die wirkt und die "gehört" werden muss, um aufzuhören. Psychologisch gesehen ist Deutschland im Alarmzustand.

Was tun?

Patentlösungen gibt es nicht, selbst die politische Psychologie hat oft nur Analysen und keine Antworten. Doch eines ist klar. Deutschland muss raus aus der Reaktanz. Dies geschieht in der Psychotherapie durch das Bewusstmachen von unbewussten seelischen Dynamiken.

Es muss also darüber geredet werden, dass es den Menschen Angst macht, wenn Flüchtlinge in Massen ins Land strömen. Schönrednerei über "Fachkräfte" und rührselige Geschichten über einzelne Flüchtlinge führen nur zu noch mehr Reaktanz, denn jeder normale Mensch erkennt darin zurecht mehr Meinung als objektive Nachricht.

Potemkin als Ratgeber?

Was auch immer in den kommenden Wochen und Monaten passieren mag. Politik, Medien und Gesellschaft sind dazu verdammt, entweder offen und frei zu diskutieren - oder wir steuern alle gemeinsam auf eine ziemliche Katastrophe zu. Und mit offener und freier Diskussion sind sicher keine moderierten "Town Hall Meetings" der Kanzlerin gemeint.

Schon Potemkin hat Katharina II. keinen Gefallen mit seinen Pappdörfern gemacht. Machen wir uns also ehrlich. Nur so kann gute Politik und anständiges Miteinander in Deutschland, Europa und der Welt gelingen.

Von Maximilian von Thalen - Redaktion Psychologie aktuell.

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