FH beschäftigt sich mit Parapsychologie: Stimmen aus dem Teekessel

Die Situation kennen wohl die meisten von uns: wir denken intensiv an unsere beste Freundin und kurz darauf ruft sie an. Zufall oder doch so etwas wie Telepathie? Wir wissen von Sportlern, die berichten, dass sie in Extremsituationen ihren Körper verlassen haben und quasi über sich schwebten. Sind diese Menschen verrückt? Wollen sie sich wichtig machen? Nein, sagt Walter von Lucadou. Sie sind absolut nicht verrückt, ihr Gehirn funktioniert sogar sehr gut. Nur ihr „Kino im Kopf“, wie er es populärwissenschaftlich nennt, ist durch die Anstrengung oder Monotonie des Laufens aus dem Ruder geraten und produziert innere Bilder, anstatt sich – wie üblich – ein normales Bild von der äußeren Wirklichkeit zu machen.

Walter von Lucadou ist Physiker und Psychologe und gilt als einer der führenden Forscher im Bereich der Parapsychologie, der Wissenschaft, die sich interdisziplinär mit ungewöhnlichen Phänomenen beschäftigt. Lucadou hat vor mehr als 20 Jahren in Freiburg eine Beratungsstelle für Menschen gegründet, die ungewöhnliche und unerklärliche Erfahrungen gemacht haben – und die er davor bewahren will, in die Fänge von Scharlatanen zu geraten oder von der Psychiatrie für verrückt erklärt zu werden. Und er geht an Schulen, weil Jugendliche im Fernsehen oft unsachlich mit dem Thema konfrontiert werden und er vernünftige naturwissenschaftliche Erklärungen dagegen setzen möchte.

An der Fachoberschule Schweinfurt nahm sich von Lucadou einen ganzen Vormittag Zeit für den Projekttag zum Thema Parapsychologie, organisiert von Lehrer Christian Tschertner. „Sie können mich alles fragen, ich habe den Überblick“, diese Aufforderung ließen sich die Schüler der 13.Klassen im Fachbereich Pädagogik-Psychologie und die Reporterin nicht zweimal sagen.

Erstes Beispiel war die Geschichte mit dem Telefonanruf der Freundin. Nach dem Vorbild amerikanischer Forscher hat Lucadou mehr als 1000 Menschen getestet und kann bestätigen, was gegenwärtiger Stand der Forschung sei: es gibt so etwas wie Telepathie. Von Lucadou nennt das bekannte Phänomen nur anders, weil nämlich keine Signale ausgesendet werden, wenn wir den Anruf der Freundin vorausahnen. Er spricht lieber von Verschränkung zwischen zwei Personen, die sich nahestehen – Verliebten, engen Freunden oder Mutter und Tochter. Je näher sich zwei Menschen stehen, umso besser funktioniere diese Verbindung, die aber eben keine zuverlässige Signalübertragung darstelle. Wer sicher gehen will, dass seine Nachricht ankommt, muss doch sein Handy benutzen.

Einer solchen Erfahrung verdankt die Medizin eine wichtige Erfindung: die des EEGs, des Elektroenzephalogramms, mit dessen Hilfe elektrische Aktivitäten im Gehirn gemessen werden. Von Lucadou schilderte die Geschichte des Neurophysiologen Hans Berger, der im Ersten Weltkrieg einen Sturz vom Pferd nur knapp überlebte. Am gleichen Abend erhielt er ein Telegramm seiner Lieblingsschwester, die sich große Sorgen machte, weil sie gespürt hatte, dass er einen schweren Unfall hatte. Berger habe das nicht als Zufall abgetan, sondern nachgeforscht und herausgefunden, dass das Gehirn sehr wohl elektrische Signale aussendet. Er erkannte aber auch, dass diese viel zu schwach sind, um das Erlebnis mit dem Telegramm zu erklären. Gleichwohl entwickelte Berger daraus das EEG.

Walter von Lucadous Ziel ist, dass Menschen über solche Erfahrungen berichten können, ohne Angst, als verrückt abgestempelt zu werden. Manchmal hilft ein Blick auf andere Kulturen, wie im Fall des Ehepaars, das sich ein Haus kaufen wollte. Auf die Frage der Ehefrau, wo der Vorbesitzer gestorben sei, sagte man ihr, im Krankenhaus. Also kauften die beiden das Haus und schon bald ereigneten sich unerklärliche Dinge. Eines Tages hatte die Frau im Wohnzimmer eine Vision: sie sah einen Mann in einer grünen Jacke von der Decke hängen. Recherchen ergaben, dass sich der Vorbesitzer an genau dieser Stelle erhängt hatte.

Das Ehepaar wollte vom Kaufvertrag zurücktreten und bat Walter von Lucadou um ein Gutachten. Lucadou argumentierte, dass es in allen Kulturen als problematisch angesehen wird, an einem Ort zu leben, an dem sich ein Mensch umgebracht hat oder ermordet wurde. „Der Mensch ist so gebaut, dass er solche Orte meidet“, erklärte der Psychologe. Die Frau habe sehr sensibel reagiert und es sei falsch gewesen, ihr die Wahrheit zu verschweigen. Dieser Argumentation folgte das Gericht. „Für vieles lässt sich eine Lösung finden, auch wenn wir nicht alles erklären können“, sagte Lucadou und die Schüler lauschten gespannt.

Der 66-Jährige wird auch gerufen, wenn es spukt, wenn komische Sachen passieren. Meist beginnen die Anrufer mit dem Satz: „Bitte halten Sie mich nicht für verrückt“. Wie jener junge Mann, der schilderte, dass er leise wispernde Stimmen hört, obwohl er nachweislich alleine im Haus lebt. Als er zögerlich zugab, die Stimme würde aus dem Teekessel kommen, wusste Lucadou sofort Bescheid. Das Rätsel hatte eine einfache Erklärung: sobald zwei Metallplatten in unmittelbarer Nähe eines Mittelwellensenders aufeinandertreffen, empfangen sie die Wellen. Das funktioniert aber nur bei Mittelwellen. Der junge Mann hat also in seinem Teekessel Radio gehört. Was wäre wohl passiert, wenn er damit zu einem Psychiater gegangen wäre?, fragte von Lucadou.

Obwohl sich der Psychologe und Physiker fünf Stunden Zeit nahm, konnte das riesige Feld der Parapsychologie bei diesem Projekttag nicht annähernd durchschritten werden. Aber es gab spannende Antworten auf Fragen, die viele Menschen beschäftigen.

Beratungsstelle

Die Parapsychologische Beratungsstelle wurde 1989 von der „Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie“ in Freiburg eingerichtet, um sachgerechte Aufklärung zu betreiben. Sie wird als öffentliche Dienstleistung vom Land Baden-Württemberg bezuschusst.

Aufgabe der Beratungsstelle ist es, Menschen Hilfestellung anzubieten, die durch ungewöhnliche Erfahrungen oder den Umgang mit Psychotechniken, okkulten Glaubenssystemen oder Psychogruppen Probleme bekommen haben. Auch die psychotherapeutische Beratung von „Aussteigern“ aus sogenannte Psycho-Sekten gehört zum Aufgabengebiet. Jährlich werden etwa 3000 Beratungs- und Informationsanfragen bearbeitet und mehr als 100 Informationsveranstaltungen durchgeführt.

Mehr Infos unter www.parapsychologische-beratungsstelle.de.

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