Von
Jürgen Schmieder
Natürlich gab es schon immer Trainer, die mit psychologischen Tricks arbeiteten, um das Beste und manchmal auch das Letzte aus einem Spieler herauszukitzeln. Jetzt versucht sich der unter Druck stehende Wolfsburger Coach Felix Magath: Er schubst Wasserflaschen um, kritisiert offen einen Abwehrspieler und verkündet einen Taktikwechsel. Ob es hilft?
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Pädagogische Maßnahmen: Wolfsburgs Trainer Felix Magath.
(© dpa)
Oli Kahn hatte Recht. Nun mag sich der geneigte Leser fragen: Womit hatte Oli Kahn Recht? Diese Frage ist nicht so ganz einfach zu beantworten, weil Oli Kahn sehr viele Dinge gesagt hat in seiner aktiven Karriere, dass man die meisten schon wieder vergessen hat und die Karriere-Rechthab-Quote nur grob schätzen kann. Sagen wir einfach mal, sie liegt bei knapp 95 Prozent.
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Allerdings hatte Kahn in all den Jahren ein Lieblingswort - und das überraschenderweise nicht "ich" und auch nicht "Jens", sondern "Druck". Kahn sprach immer wieder davon, und je öfter er darüber sprach, desto deutlicher wurde, dass er sich ganz intensiv mit den psychologischen Aspekten des Sports auseinander gesetzt hat und sich durchaus tiefergehende Gedanken gemacht hat.
Natürlich gab es schon immer Trainer, die mit psychologischen Tricks gearbeitet haben, um das Beste und manchmal auch das Letzte aus einem Spieler herauszukitzeln. Die einen haben Geldscheine an die Kabinentür geheftet (Klaus Toppmöller), andere haben ihre Spieler über glühende Kohlen laufen lassen (Christoph Daum), wieder andere erklärten ihren Profis, nicht alles so ernst zu nehmen (Jörg Berger) und sagten: "Fußball spielen und singen, das kann man nicht erzwingen."
In dieser Woche allerdings wurde deutlich, wie weit die Psychologisierung dieses Sports mittlerweile geht. Den Anfang machte Bastian Schweinsteiger, im SZ-Interview sagte er über den Torjubel der Ersatzspieler beim FC Bayern: "Bei uns springen sie auf, das ist vielleicht ein kleiner Unterschied zur Nationalmannschaft bei der EM. Da sind nicht immer alle gesprungen."
Was wollte Schweinsteiger ausdrücken? Dass er Nicht-Aufspringen als Indiz für schlechte Stimmung wertet? Oder war es eine Metapher für Krach im EM-Team? Man weiß es nicht, doch Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff sah sich sogleich zu einer Replik genötigt.
Noch weiter ging Wolfsburgs Trainer Felix Magath. Der hatte bemerkt, dass die Kollegen nicht sofort zu Torhüter Diego Benaglio geeilt waren, als der beim Spiel gegen den FC Bayern verletzt am Boden lag. Also lehrte er seine Profis, wie man teilt. Im Anschluss an einen Waldlauf kippte er die meisten der 40 Wasserflaschen um.
Dazu erteilte er Verteidiger Naldo eine Lektion in der Kunst, mit Kritik umzugehen. Er erklärte, dass der Brasilianer Probleme auf dem Platz habe. Und er erklärte ganz nebenbei, der ohnehin verunsicherten Mannschaft auch gleich noch einen Taktikwechsel zu verordnen - wahrscheinlich ist auch das eine pädagogische Maßnahme: Wenn die Elf diese Unruhe verarbeiten kann, dann kann sie mit allem umgehen.
Ob die Maßnahmen aus dem Katalog "Psychologie für Anfänger" Erfolg haben, das wird die Partie am Samstag gegen Schalke 04 zeigen. Falls es nicht klappt, dann kann Magath seinen Spielern in dieser schweren Zeit immer noch einen Satz aus dem reichhaltigen Schatz Oliver Kahns ans Herz legen. Der lautet: "Eier! Wir brauchen Eier!"
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(SZ.de/sas)
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