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«Es ist völlig übertrieben, Alarmstimmung zu verbreiten»

Für Veterinärmediziner Christian Griot ist der neu entdeckte H10N8–Virus nicht der Rede wert. Dafür müsse man die Entwicklung eines anderen Krankheitserregers sorgfältig beobachten.

Neue Seuche: Gesundheitsexperten töten in Hongkong Hühner, die auf das Vogelgrippevirus mit Stamm H7N9 getestet wurden. (Archivbild)

Neue Seuche: Gesundheitsexperten töten in Hongkong Hühner, die auf das Vogelgrippevirus mit Stamm H7N9 getestet wurden. (Archivbild)
Bild: AP/Vincent Yu

Der Veterinärmediziner Christian Griot ist Direktor des Instituts für Virologie und Immunologie in Mittelhäusern bei Bern. (Bild: PD)

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Forscher warnen vor dem neuen Vogelgrippestamm H10N8, der in China zu einem Todesfall bei einer 73-jährigen Frau geführt hat. Wie gefährlich ist der Erreger?
Das ist ein Einzelfall, der jetzt in einem Fachblatt veröffentlicht wurde. Aus meiner Sicht ist dieses H10N8-Virus ein Nebenschauplatz. Im Auge behalten müssen wir hingegen den Vogelgrippestamm H7N9, den man vor einem Jahr zum ersten Mal in Menschen entdeckte.

Offenbar ist das H7N9-Virus für Experten «ausser Kontrolle». Müssen wir uns Sorgen machen?
Es ist völlig übertrieben, Alarmstimmung zu verbreiten. Nachdem sich das H7N9-Virus im letzten Jahr in China etabliert hat, sehen wir im Moment eine zweite Welle. Das ist vor allem auch bedingt durch die Jahreszeit. Durch das jetzige Neujahrsfest bestehen zudem grosse Reisebewegungen, die auch mit dem Transport von lebendem Geflügel einhergehen. Allein dadurch besteht schon ein gewisses Risiko, dass sich der Erreger verbreitet. Solange die Leute nur in China bleiben, ist das für Europa absolut kein Problem.

Es wird befürchtet, dass sich das Virus verändert und zum Superkiller wird.
Das hat man beim Vogelgrippevirus H5N1 im Jahr 2003 auch gesagt: Die Pandemie ist aber ausgeblieben. Das H7N9-Virus hat sich in den letzten 12 Monaten genetisch kaum verändert. Das heisst aber nicht, dass es sich in Zukunft nicht wandelt und vielleicht auch den Sprung von Mensch zu Mensch schafft. Als Referenzlabor für hochansteckende Tierseuchen haben wir die Diagnostik von H7N9 etabliert und könnten es bei einem Verdachtsfall im Huhn diagnostizieren.

Was wurde eigentlich aus dem Vogelgrippeerreger H5N1, der ab 2003 für viel Aufregung sorgte, als er in Wildvögeln bis nach Europa gelangte. Ist das Virus immer noch eine Zeitbombe?
Alle Influenzaviren, die zirkulieren, können sich ändern. Das H5N1-Virus hat sich genetisch schon verändert seit seiner Entdeckung 1997, aber auch nicht in grossem Umfang. Darum ist auch die Mensch-zu-Mensch-Übertragung nach wie vor nicht möglich. Hinzu kommt, dass die Fälle, die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeldet werden, nur die Spitze des Eisbergs sind. Es sind die dramatischen Fälle, bei denen erkrankte Personen in Kliniken eingeliefert werden und zum Teil daran auch sterben. Alle anderen, die vielleicht nur Fieber oder Husten haben, erscheinen nie in einer Statistik. Da muss man aufpassen, dass man die Gefährlichkeit der Viren nicht überschätzt.

In den letzten Jahren wurde weltweit die Virenüberwachung in Nutztieren ausgebaut. Besteht da nicht die Gefahr, dass Forscher laufend «neue» Erreger finden, die früher schon da waren?
Das ist so. Nach dem Motto: Wer sucht, der findet gelegentlich auch mal was. Wir müssen aber lernen, wie mit solchen Befunden umzugehen ist.

Wenn Wissenschaftler einen neuen Vogelgrippestamm finden, verbreiten sie häufig selbst überzogene Warnungen.
Viele Forschende leben von ihren Projekten. Und je bedrohlicher Resultate sind, die man findet, desto eher fliessen die Forschungsgelder. Es ist sicher nicht sehr geschickt, wenn die Forschenden übertreiben. Sie müssen aber darauf hinweisen, was passieren könnte, das ist wichtig.

Gilt das nicht auch für die WHO?
Die WHO hat in den letzten Jahren viel gelernt. Heute macht sie einen guten Job. Auch die Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin ist viel besser geworden als früher.
(Bernerzeitung.ch/Newsnet)

Erstellt: 05.02.2014, 23:46 Uhr


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