Mit harmlosen Fragen fängt es an: Und wo warst du noch mit den Kollegen? War die Neue auch dabei? Was frisch Verliebten vielleicht noch wie besonderes Interesse vorkommt, entpuppt sich für manchen im Laufe der Partnerschaft als purer Kontrollwahn getrieben von der Eifersucht. Welche Formen das annehmen kann, weiß der Berliner Buchautor und Psychologe Dr. Wolfgang Krüger. "22 Prozent haben schon einmal im Handy des Partners spioniert, 12 Prozent die Emails kontrolliert." Es werden Briefe durchforstet, die bessere Hälfte wird mit pausenlosen Anrufen penetriert, nur um zu erfragen was er oder sie gerade macht, ob man bei der Arbeit ist oder gerade erst ins Fitness-Studio aufgebrochen ist.
Der Stachel, den die Eifersucht austreibt, ist für Außenstehende oft vollkommen befremdlich. Wie auch bei Andrea und Ralf. Sie kennen sich schon seit einiger Zeit und wollen bald heiraten. Gerade das lässt viele Paare enger zusammenrücken. Auch die beiden planen das gemeinsame Hochfest ihrer Liebe. Andrea freut sich auf ein freies Wochenende, an dem sie in Ruhe einige Erledigungen für diesen besonderen Tag tätigen will, denn Ralf ist für zwei Tage mit Freunden unterwegs. Doch bevor er sich verabschiedet, lässt er seine Verlobte wissen, dass am Wochenende seine Cousine zu Besuch kommen wird, als Aufpassdame.
Wann ist man vor Eifersucht krank?
Für Andrea durchkreuzt das nicht nur ihre Pläne rund um das große Fest, sondern es befremdet sie. Sie kennt seine Cousine kaum und zudem wächst in ihr ein ungutes Gefühl. "Traut er mir nicht?" Ist das noch normal? "Nein, sagt Psychologe Wolfgang Krüger. "Wenn man jeden Kontakt des Partners als Bedrohung wahrnimmt und alle anderen als Konkurrenz zu sich sieht, dann liegt eine massive Eifersucht vor." Für den Eifersüchtigen dreht sich alles nur noch um die Eifersucht. Die Liebe wird zerstörerisch. Zuneigung wird so übermächtig, dass sie in der wahnhaften Kontrolle des anderen mündet. "Sie fühlen sich plötzlich, als wären Sie beim Geheimdienst", sagt Krüger.
Denn nicht nur für die Geliebten ist das der Eingang zur Liebeshölle, auch bei den Eifersüchtigen hinterlässt das dunkle Spuren, wenn sie selbst spüren, dass die Grenze der Normalität überschritten ist, sich ihr ganzes Tun plötzlich fast ausschließlich darum dreht und sie die Eifersucht nicht mehr kontrollieren können.
Diese Personen sind besonders anfällig
Vor allem Menschen mit geringen Selbstwertgefühl sind anfällig für solche Auswüchse. Bei ihnen besteht eher die Tendenz, denn Mittelpunkt ihres Lebens derart auf die Liebe zu verlegen, dass dem anderen kein Platz mehr zum Atmen bleibt. Schlechte Erfahrungen aus vorangegangenen Beziehungen, in denen sie enttäuscht wurden, vertiefen das Gefühl, den Partner kontrollieren zu müssen, um das neuerliche Scheitern der Beziehung zu verhindern.
Die Ursache dafür sehen viele Psychologen schon weitaus früher angelegt: Menschen, die krankhaft eifersüchtig sind, haben nie gelernt, Nähe zum anderen herzustellen. "Oft sind es Personen, die in der Kindheit das Erlebnis von unzuverlässigen Beziehungen erfahren haben, deren Eltern sich getrennt haben, die nicht viel Zuwendung erhalten haben", sagt Krüger. Bei ihnen beobachte man häufig die Unfähigkeit das Gefühl der Zusammengehörigkeit zum Partner herzustellen. "Dazu gehören Gespräche, die unter die Haut gehen, innige Küsse und das Hand-in-Hand-Spazieren. Glückliche Paare haben das Gefühl, dass kein Blatt Papier zwischen sie passt", sagt Buchautor Krüger. Das Gefühl, durch nichts getrennt werden zu können, fehlt extrem Eifersüchtigen.
Wenn die Liebe alles zerstört
Sie drehen sich mitunter so tief in die Misstrauensspirale, dass sie schließlich in Gewalt mündet. Unsicherheit, Angst, Trauer, Wut können sich bis hin zu Mordgedanken übersteigern. "Das Hauptmordmotiv auf der Welt ist die Kränkung", erklärt der Berliner Psychologe. "Nichts kränkt uns so sehr, als wenn uns die Liebe entzogen wird." Dahinter steht das Empfinden: Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie auch kein anderer haben." Männer halten das, nach Erfahrung aus seiner Praxis oft weniger gut aus als Frauen.
Frauen und Männer sind anders Auch, wenn die Geschlechter beide Eifersucht kennen, zeigt sie sich nach Auffassung unterschiedlich. Es erfüllen sich die Klischees: Frauen erwarten vor allem emotionale Treue. Spricht er plötzlich häufiger über die neue nette Kollegin, geht bei ihr die Lampe an. Über derartige Dinge, gerät ein Mann hingegen weniger leicht aus der Fassung, dafür aber umso mehr bei sexueller Untreue. Geht sie mit einem anderen ins Bett, gehen bei ihm die Gefühle mit ihm durch.
Bei Männern anders als bei Frauen?
Die Forschung erklärt das evolutionsbiologisch. Die Gründe für die Ängste des Mannes sind demnach naturgegeben die vor Kuckuckskindern. Bleibt ihm seine Partnerin sexuell treu, gibt ihm das die Sicherheit, dass er die selbst gezeugten Nachkommen groß zieht.
Frauen hingegen denken emotionaler, denn ihr Interesse ist es, den Mann möglichst lange emotional an Ihrer Seite zu wissen. Für sie hat das einen besonderen Stellenwert, weil sie so evolutionär gesteuert darauf achten, einen Partner zur Seite zu haben, der ökonomisch dazu beiträgt, die Kinder mitgroßzuziehen. Zurück geht diese Hypothese, die sich ausschließlich um die Sorge des Fortbestands der eigenen Gene dreht, auf Untersuchungen, die der Psychologe David Buss von der Universität Texas anstellte.
Zwei Psychologinnen der Pennsylvania State University hingegen stellten jedoch vor einigen Jahren das Steinzeitprinzip in Frage. Ihre Studie brachte sie zu dem Schluss, dass weniger das Geschlecht für die Art und Weise verantwortlich ist, in der Eifersucht empfunden wird, sondern die Art der angestrebten Beziehung. Menschen, die eher in einer Partnerschaft Nähe suchen, reagieren sensibler auf emotionale Untreue. Personen, denen ihre eigene Selbstständigkeit sehr am Herzen liegt, ist hingegen die sexuelle Treue vollkommen wichtig.
Das weibliche Alarmsystem funktioniert besser
In jedem Fall, bescheinigt der Berliner Psychologe Dr. Wolfgang Krüger Frauen die besseren Antennen dafür, wann es Grund zur Eifersucht gibt. Sehen sie erste Hinweise dafür, dass eine Geschlechtsgenossin dem eigenen Mann ins Auge fällt, aktiviert das das weibliche Frühwarnsystem. Dadurch stecken es im Schnitt besser weg, wenn die Eifersucht nicht unbegründet ist. "Männer hingegen fallen aus allen Wolken", erläutert Krüger. Sie leben durch eine männliche Grundarroganz in einem beruhigten Gefühl und sind dann vollkommen aus der Bahn geworfen, wenn sie feststellen, dass ihre Frau fremdgeht. Männer könne das in große Suizidgefahr bringen.
Therapiebedürftig sind jedoch die meisten Eifersüchtigen nicht. Denn 80 Prozent der Menschen haben schon einmal die Eifersucht in sich aufkeimen gespürt. Laut der Psychologen ist sie ein gutes Zeichen und eine gesunde und normale Reaktion, weil sie von Interesse und Zuneigung zum Partner zeugt. Wem der andere hingegen egal ist, weil er die Beziehung eher als eine Zweckgemeinschaft betrachtet, wird solche Gefühle nicht empfinden. Die Angst, die Aufmerksamkeit und Zuneigung eines Partners zu verlieren, sei laut Krüger genauso berechtigt wie die Vorsicht vor einer roten Ampel.
Das hält die Beziehung gesund
Kein Grund zur Panik also, wenn die Liebste also fragt, warum mal wieder nur die Kolleginnen Zeit für ein gemeinsames Mittagessen gefunden haben. Solange sich das nicht in Dauervorwürfen auswächst, ist die Lage im Lot. Schwieriger wird es, wenn einem der Partner täglich etwas Neues komisch vorkommt, sich schnell beunruhigt zeigt, wenn der andere verabredet ist oder über Treffen oder gemeinsame Momente mit Freunden spricht. Als therapiebedürftig gelten Menschen, bei denen im Kopf ein permanenter Eifersuchtsfilm läuft, der dazu führt, dass sich der andere vor lauter Kontrolle erstickt fühlt oder unter Dauervorwürfen leidet.
Gegenseitige Treue, wirkliche Nähe, die jedoch für beide Partner zulässt, auch ein eigenes Leben zu führen ist ein Schutzschild vor verletzenden Eifersuchtsattacken. Darum rät auch Psychologe Krüger: "Sprechen Sie mit Ihrem Partner über Befürchtungen, suchen und pflegen Sie eigene Freundschaften und versuchen Sie unabhängig zu bleiben und ihre eigenen Lebensziele nicht aus den Augen zu verlieren."
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