Von Hans-Jürgen Jaap
Im Sport und im Leben gibt es keine Sicherheiten, sondern nur Möglichkeiten, lautet eine Binsenweisheit. Möglichkeiten, die man, wenn sie sich einem denn bieten, beim Schopfe packen sollte. So wie der Bechtheimer Paul Emmering es im November 2010 im italienischen Lignano Sabbiadoro nahe Udine getan hat. Paul Emmering spielt Elektro-Rollstuhl-Hockey - kurz E-Hockey und gilt als einer der besten deutschen Behindertensportler in diesem Metier. Zu Recht: Der 25-Jährige, der im vierten Semester Psychologie an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität studiert, ist Weltmeister im E-Hockey.
Rückblick: In einem dramatischen Finale steht es vor rund zwei Jahren 6:6 gegen die übermächtigen Branchenführer des E-Hockeys, die Niederlande. Dann die Verlängerung. Anspannung pur. Eine Situation, in der Paul Emmering die Nerven behält. Ein Pass von rechts kommt in den Lauf des ruckzuck auf zehn Stundenkilometer beschleunigenden Rollstuhls. Mit der Rückhand lupft Paul Emmering die kleine weiße Plastikkugel am Keeper der Holländer vorbei ins rechte Eck des Gehäuses. Paul und seine Mannschaftskollegen reißen Arme und Hockeyschläger in die Luft. Das Golden Goal des Rheinhessen beschert den Deutschen den WM-Titel. Hier Jubel in Schwarz-Rot-Gold, dort bittere Tränen in Orange. „Da lief es mir eiskalt und warm zugleich den Rücken runter“, sagt der Bechtheimer rückblickend.
Außerhalb der Hockey-Arena ist Paul Emmering ein ruhiger Typ, aber auf dem Platz lässt er seinen Emotionen freien Lauf und pusht seine Mitspieler zur maximalen Leistung. Obwohl der Bechtheimer erst 25 Jahre alt ist, gehört er schon zu den „erfahrenen Hasen“. Immerhin bereits fünf Deutsche Meisterschaften hat er mit seiner Mannschaft Torpedo Weinheim in den letzten sieben Jahren eingeheimst. „Und wir stehen auch diese Saison wieder vorne“, betont der im amerikanischen LaGrange in der Nähe von Chicago geborene Sohn des US-Soldaten John Emmering und der deutschen Mutter Sylvia. Trotz einer angeborenen Behinderung mit der Bezeichnung Sacralagenesie - Paul Emmering fehlt ein Stück seiner Wirbelsäule - meistert der junge Mann sein Schicksal nicht nur beim E-Hockey, für das er sich als Zwölfjähriger in einer AG an der Behindertenschule in Ludwigshafen begeistert hat, perfekt. Mit dem Auto pendelt er regelmäßig zwischen dem Elternhaus in Bechtheim, der „Studentenbude“ in Heidelberg und der Trainingshalle in Weinheim. „Positiver Stress“ sei das, sagt Paul Emmering lächelnd. Den baut er nur zu gerne zusammen mit seiner siebenjährigen Labrador-Hündin Julchen ab.
Aber auch laute Momente hat das Leben von Paul Emmering. Droben am Betzenberg nämlich. Dort lässt sich Paul („Wenn es irgendwie geht“) möglichst kein Fußballspiel der „Roten Teufel“ entgehen. „Leider hat es in der letzten Saison nur zu fünf Spielen gereicht“, bedauert Paul Emmering, dass er seinen Klub im Abstiegskampf nicht häufiger unterstützen konnte. Doch Paul Emmering ist halt gerade am Wochenende viel in Deutschland in der E-Hockey-Bundesliga unterwegs. Nach München zu den „Animals“ oder den „Ruhr Rollers Essen“ geht es da beispielsweise. Der nächste deutsche Meistertitel soll her. „Und danach dann der Bachelor in Psychologie“, plant Paul Emmering, der „in Richtung Sportpsychologie“ gehen möchte. „Zuvor aber steht Lahti auf dem Programm“, tippt Paul Emmering auf einen fetten roten Eintrag im Terminkalender. In Finnland steht im Juni die Europameisterschaft an. Klar, dass dann wieder die Erzrivalen aus Holland erst einmal zu bezwingen sind. Vielleicht ja erneut durch ein Golden Goal von Paul Emmering ...