Hellenische Familienaufstellung
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vor 2 Stunden
Kein Wunder, dass Sigmund Freud und viele andere seines Metiers immer wieder Musterhandlungen, Schlüssel-Konstellationen und Typenbeschreibungen in den altgriechischen Tragödien entdeckten und entdecken.
Aus Hass wird Mord
Agamemnon, der erfolgreiche Heerführer der Griechen, hat zwar Troja besiegt. Beim Kampf hatte er sich allerdings vornehm zurückgehalten und andere vorgeschickt. Auch hatte er seine Tochter Iphigenie geopfert, um die Göttin Artemis gnädig zu stimmen. Man könnte darin durchaus auch eine Missbrauchsgeschichte sehen.
Kein Wunder also, wenn Klytaimnestra, seine Frau, Hassgefühle entwickelt, die zu Mordgedanken keimen. Zumal Agamemnon mit einer Liebessklavin, der Seherin Kassandra, zurückgekehrt ist. Beide werden sterben. Da treten, im zweiten Akt, Elektra und Orest auf den Plan. Die traumatisierten Kinder stehen zwischen Vater und Mutter; Apollon, der Gott, wolle die Rache, sagen sie.
Orest wird also Klytaimnestra und ihren Liebhaber ermorden, was ihn zum Wahnsinn treibt. Hier könnte der Vorhang fallen. Doch Aischylos wählt einen versöhnlichen Schluss. Der Gott Apollon, der Orests Gemetzel veranlasste, vertreibt mit Athenes Hilfe die Rachegöttinnen und gewährt dem von seinem Gewissen verfolgten Muttermörder Gnade.
Regisseur Peter Bernhardt ist es gelungen, aus dem sehr gerafften Stück die Schicksalsschwere zu vertreiben und eine Familienaufstellung zu arrangieren, welche die Verstricktheit der Personen trefflich analysiert. Agamemnons Familie muss mit einer alten Schuld leben, sie wirft Schatten auf die Gegenwart, lässt Orest so werden, wie er ist: impulsiv, naiv, hörig.
Klytaimnestra entwickelt sich zur Rächerin, weil sie tatenlos zugesehen hat, dass ihr Mann die Tochter Iphigenie geopfert hat. Rebecca Kirchmann, die bis vor Kurzem dem Ensemble des Nürnberger Staatstheaters angehörte, verkörpert Klytaimnestra als unsicher über die Bühne stöckelnde Frau, die vom Hass auf ihren Mann so infiziert ist, dass sie ihn töten muss.
Seiner Tragödie hatte Aischylos, wie es im alten Griechenland Brauch war, ein Satyrspiel folgen lassen. Es ist leider verloren gegangen. Doch Regisseur Bernhardt wusste sich zu helfen. Er baute satyrhafte Elemente in seinen letzten Akt ein, wenn er etwa die Erinnyen als hilflose Zombies auftreten lässt, und Athene, die Göttin der Weisheit, als dümmliches Model karikiert. Apollon ist mehr alerter Zukunftsforscher und Manager als Gott der Weissagung.
Ein amüsanter Schluss jedenfalls – und Griechenland ein Teil der EU.
Weitere Vorstellungen vom 7. bis 12., 17. bis 19. Februar und vom 2. bis 4. März. Kartenvorverkauf 0951/ 9808220