Der Mensch, seine Psyche und die Gene: Zu Ende gedacht – T

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Zu Ende gedacht

25.01.2012, 13:10 Uhr | Ein Kommentar von David Schmitt

Mensch, Psyche, Gene (Quelle: Andrew Mason)

(Quelle: Andrew Mason)

Irgendwie sind alle Psychologen auch "evolutionäre" Psychologen. Denn sonst bleibt nur Kreationismus oder Panspermie (die Theorie, dass das Leben auf der Erde aus dem All kommt). Demnach muss die Leitfrage der Forscher sein, wie die Entwicklungsprozesse in den Köpfen der Hominiden genau ausgesehen haben, und nicht, ob es überhaupt eine Entwicklung gab.

Bevor die Evolutionspsychologie Fuß fassen konnte, dominierte die sozialwissenschaftliche Ansicht, unsere Hirne seien nichts als ein weißes Blatt Papier - Menschen seien evolutionär so geschaffen, dass sie sich ihr Wissen durch soziale Kontakte aneignen. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts kam es allerdings zu neuen Erkenntnissen, die einige Psychologen ernsthaft an der vorherrschenden Lehrmeinung zweifeln ließen.

Zu den Forschungsergebnissen gehörte, dass Menschen einige Dinge viel einfacher lernen als andere und dass viele Eigenschaften der menschlichen Psyche über Kulturgrenzen hinweg gleich sind. Sie ähneln sogar denen benachbarter Spezies. Forscher fanden außerdem heraus, dass fast jeder psychische Charakterzug genetisch vererbbar ist.

Mehr als singuläre Lernmechanismen

Mit dieser neuen wissenschaftlichen Realität konfrontiert, begannen mutige Psychologen in den 1980er-Jahren, menschliches Denken nicht mehr als singulären Lernmechanismus zu interpretieren, sondern als Bündel evolutionärer Entwicklungen. Demzufolge könnten einige Neigungen des Menschen psychologische Anpassungen sein - wie etwa schnell zu lernen, dass Schlangen eine Gefahr darstellen, oder physisch symmetrische Partner zu bevorzugen. Sie könnten sich als Denkmuster oder Verhaltenszüge unserer Vorväter, den Jägern und Sammlern, evolutionär herausgebildet haben.

Wie andere Wissenschaftler auch, berufen sich Evolutionspsychologen auf Theorien und deren Plausibilität. Sie diskutieren, inwiefern empirische Befunde dabei helfen, die Existenz psychologischer Anpassungen zu beweisen.

Im Unterschied zu den meisten Ansätzen in der Psychologie tragen die evolutionären Psychologen jedoch Material aus einer ganzen Bandbreite von Wissenschaften zusammen, unter anderem aus der Kulturanthropologie und Humanbiologie, der Populations- und Molekulargenetik, der Evolutionsbiologie, Neurowissenschaften und der komparativen Psychologie. Trotzdem die Wissenschaft also methodisch recht ausgereift ist, sehen manche den evolutionspsychologischen Ansatz kritisch. Grund dafür ist, dass sie meist fehlerhafte Implikationen für den Menschen als evolutionäre Spezies ableiten.

Auch der Mensch kann böse sein

Der häufigste Fehler ist der naturalistische Fehlschluss, also die Annahme, etwas sei gut, nur weil es natürlich ist. Evolutionswissenschaftler teilen derartige Argumentationen nicht. Denn wenn wir die Natur betrachten, ist zwar alles natürlich, aber manches gleichzeitig moralisch schlecht. Viele Arten sind evolutionär so angepasst, dass sie besonders gut für Grausamkeiten wie Töten und Vergewaltigen geeignet sind.

Auch den Homo sapiens kann man vermutlich nicht davon ausnehmen. Auch er hat eine Reihe böswilliger Verhaltensweisen ausgebildet. Was Evolutionspsychologen nun vorhaben, ist unseren natürlichen psychologischen Baukasten zu verstehen, um dann damit eine lebenswerte Welt zu gestalten. Zumindest ein Teil unserer natürlichen Anlagen helfe uns bei dieser Aufgabe. Denn die Fähigkeit, zu vertrauen und zu lieben, hat sich vermutlich auf dem gleichen Weg entwickelt wie unsere bösen Seiten.

Ein zweiter, ähnlicher Fehler ist, zu denken, dass Evolutionspsychologen konservative Ideologen seien, die nur den Status traditioneller Gesellschaften bewahren wollen. Joshua Tybur und seine Kollegen haben 2007 die politischen Einstellungen von graduierten Psychologiestudenten untersucht und gezeigt, dass die evolutionär eingestellten unter ihnen keine politischen Besonderheiten aufwiesen. Evolutionspsychologen sind genauso daran interessiert, für eine sozial gerechte Welt einzutreten, wie alle anderen. Sie glauben nur, dass bei dieser Aufgabe unsere natürlichen, evolutionären Neigungen eine große Rolle spielen.

Übersetzung aus dem Englischen

David Schmitt: Der Psychologieprofessor lehrt an der Bradley-Universität in Illinois. Er ist Gründer des International Sexuality Description Project (ISDP), einer interkulturellen Recherche-Plattform. Das Netzwerk hat bislang Daten von 50.000 Personen aus 60 Nationen und in 30 Sprachen gesammelt.

Quelle: The European


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Kommentare (6)

zum Forum

Thema: "Der Mensch, seine Psyche und die Gene: Zu Ende gedacht"

theorien schrieb:
am 25. Januar 2012 um 17:17:55

(2) (0)
bereiche
gültigkeitsbereiche-manche nur für eine gewisse zeit-das ist das wesen von theorien. die existenz als solche kennen wir nicht.

gott, evolution, urknall-interessante vorstellungen-kein definitives wissen im wissenschaftlichen sinn.

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Wolf schrieb:
am 25. Januar 2012 um 16:41:16

(10) (0)
Evolution? Etwa bei uns?
Vom WIR zum ICH und je spitzer der Ellenbogen um so besser! Wir alle haben Probleme unsere wahren Gefühle zu zeigen

und geheult wird nur beim Psychologen und Überfluß und Habgier machen das Ihre. Solidarität miteinander und mehr Gefühl beim Denken, das würde uns wahrscheinlich eher voran bringen als das Verkomplizieren von Gefühlen und die Unehrlichkeit im miteinander. Die Welt dreht sich weiter nur WIR nicht!

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Ein Zweifler schrieb:
am 25. Januar 2012 um 16:14:39

(7) (4)
Urknall - der Anfang??
Wenn die Geschichte mit dem Urknall stimmen würde, haben einige Wissenschaftler etwas zuviel von dem Knall

mitbekommen. Die Evolutionstheorie stößt absolute Grenzen, wo die Experten auch nicht mehr weiter wissen, und trotzdem wird diese Theorie in den Schulen als Fakt gelehrt

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