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«Das Resultat ist ein Skandal»

Tamiflu wirke nicht mehr als ein Kamillentee, kritisieren Politiker. Nun müsse die Arzneimittelbehörde Swissmedic die Zulassung des Grippemittels überprüfen.

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Tamiflu war während der Vogel- und Schweinegrippe sehr gefragt: Eine Pharmaassistentin zeigt eine Schachtel des Grippemittels.
Bild: Steffen Schmidt/Keystone


Tamiflu-Pflichtlager bleibt vorerst

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird die geäusserten Zweifel an der Wirksamkeit des Roche-Grippemittels Tamiflu zusammen mit Experten genau prüfen. Gegenwärtig sieht es keinen Anlass, etwas an der Pflichtlagerhaltung für den Pandemiefall zu ändern.

Die neueste und dritte Studie des Forschernetzwerks Cochrane Collaboration sei erst heute veröffentlicht worden. Da sei es noch zu früh, für Entscheide bezüglich der Pandemie-Massnahmen, sagte BAG-Mediensprecherin Mona Neidhart auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

Sollten sich nach einer genauen Prüfung Änderungen bezüglich des Tamiflu-Pflichtlagers aufdrängen, würden diese auch vorgenommen.
(sda)

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Politiker sparen nicht mit Kritik an Roche und den Behörden in Sachen Tamiflu. Eine Studie des renommierten Forschernetzwerks Cochrane Collaboration kommt zum Schluss, dass das Grippemittel die Symptome gerade mal um einen halben Tag verkürzt. Weitere angeführte Wirkungen hätten sich nicht belegen lassen.

«Tamiflu hat nicht das gebracht, was Roche versprochen hat», sagt SP-Nationalrätin Bea Heim. «Gerade was die präventive Wirkung bei einer Grippepandemie anbelangt, ist das Resultat, wie schon seit geraumer Zeit vermutet, doch sehr enttäuschend – eigentlich ein Skandal.»

Politiker glauben auch, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden durch den Fall Tamiflu erschüttert wird, wie etwa FDP-Ständerätin Christine Egerszegi sagt. Dieser Meinung ist auch Bea Heim.

Wie weiter mit der Zulassung von Tamiflu?

Nun wird die Zulassung des Medikaments infrage gestellt. CVP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel fordert die Swissmedic auf, die Zulassung anhand der neuen Studienergebnisse zu überprüfen. «Sollten die Erkenntnisse der Cochrane Collaboration tatsächlich zutreffen und das Medikament etwa, statt heilende Wirkung zu entfalten, gar zur Schwächung der eigenen Abwehrkräfte führen, könnte sich möglicherweise die Frage des Entzugs der Zulassungsbewilligung stellen», sagt SP-Nationalrätin Heim.

Swissmedic sieht allerdings «keinen unmittelbaren Handlungsbedarf», sagt Mediensprecher Lukas Jaggi. Dies, weil das Heilmittelinstitut die Wirksamkeit von Tamiflu viel höher einschätzt, als dies die Cochrane-Analyse nun tut. Warum Swissmedic überhaupt zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommt, beantwortet das Heilmittelinstitut nicht.

SVP-Nationalrat Lukas Reimann will die Swissmedic zum Transparenz verpflichten. «Dies ist nicht nur für positive Entscheide nötig, sondern auch dann, wenn ein Medikament nicht zugelassen wird.»

Pandemieplan in der Kritik

In der Kritik steht auch der Pandemieplan des Bundes, der letztmals im vergangenen Oktober überarbeitet wurde. Tamiflu ist darin ein wichtiger Bestandteil der Grippebekämpfung, auch wenn der Bund darin die beschränkte Wirksamkeit antiviraler Medikamente einräumt. Mit der Behandlung solcher Präparate könne die Ausbreitung der Grippe verzögert und das Gesundheitspersonal sowie Risikopersonen geschützt werden, heisst es im Pandemieplan. Zudem soll die Zahl von Spitaleinlieferungen verringert werden. Dafür gibt es jedoch laut den Cochrane-Forschern keine ausreichenden Belege.

«Ich habe den Pandemieplan schon immer übertrieben gefunden», sagt Reimann. Die neue Studie der Cochrane-Forscher zeige umso mehr, dass der Plan einer Verschwendung von Steuergeldern gleichkomme und eine direkte Subventionierung der Pharmaindustrie darstelle. Reimann kämpfte an vorderster Front vergeblich gegen das neue Epidemiengesetz. Das Volk stimmte der Vorlage vergangenen Herbst deutlich zu. Die Gegner fürchten unter anderem einen Impfzwang.

FDP-Ständerätin Christine Egerszegi hegt generell Zweifel an der Grippebekämpfung des Bundes. Ihr seien Fälle aus dem Bekanntenkreis zugetragen worden, wonach Ärzte die Tauglichkeit der diesjährigen Grippeimpfung verneint hätten. «Ich kann nicht verstehen, weshalb der Bund die Öffentlichkeit nicht darüber informiert hat, dass die Impfung in diesem Jahr keinen adäquaten Schutz gegen die zirkulierende Grippe bietet.» Die Leute würden sich so in einer falschen Sicherheit wiegen, gerade Menschen, die von den Folgen einer Grippe besonders betroffen seien.

Obsolet könnte auch das Pflichtlager werden. «Wenn Tamiflu nicht mehr nützt als ein Kamillentee, erübrigen sich jedenfalls das Pflichtlager des Bundes sowie die Notvorräte der Kantone», sagt SP-Nationalrätin Bea Heim. Der Plan zur Pandemievorsorge von Bund und Kantonen müsse wohl nochmals überarbeitet werden.

Als Konsequenz aus dem Fall Tamiflu fordert Heim, die Pharmafirmen zu verpflichten, sämtliche Daten klinischer Studien, also auch negative Ergebnisse offenzulegen – zumindest gegenüber den Zulassungsbehörden. Andernfalls müssten die Unternehmen sanktioniert werden. Im kürzlich geänderten Humanforschungsgesetz ist allerdings nur eine Pflicht vorgesehen, wonach klinische Studien zu Beginn bei den Behörden registriert werden müssen. Heim fordert dagegen eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung sämtlicher Ergebnisse.

Eine entsprechende Regelung wird auch in der EU diskutiert. Dies geht auf eine Kampagne aus dem Umfeld des britischen Autors und Kolumnisten Ben Goldacre zurück. Er hat in seinem Buch «Bad Pharma» auf die fatalen Folgen hingewiesen, wenn nur ein Teil der klinischen Studien zu einem Medikament publiziert werden.
(Bernerzeitung.ch/Newsnet)

Erstellt: 10.04.2014, 12:52 Uhr


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