Andy Hussler hat ernste Fcher studiert: Mathematik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften. Heute ist er ein ernsthafter Zauberknstler und erfolgreicher Mentalist. Sabine Ackermann sprach mit ihm ber seine Vorliebe fr Magie und schnelles Kombinieren, ber die Bhne und das Publikum.
16.11.2012
Foto: SABINE ACKERMANN
Andy Hussler hat ernste Fcher studiert: Mathematik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften. Heute ist er ein ernsthafter Zauberknstler und erfolgreicher Mentalist. Sabine Ackermann sprach mit ihm ber seine Vorliebe fr Magie und schnelles Kombinieren, ber die Bhne und das Publikum.
Herr Hussler, hat es bei Ihnen ganz klischeemig mit einem Zauberkasten angefangen?
ANDY HUSSLER: Indirekt. Beim Urlaub mit meiner Familie in der Schweiz habe ich so mit zwlf, 13 Jahren in einem dortigen winzigen Zimmertheater einen Zauberknstler gesehen. Und dessen Vorstellung fand ich so toll – danach habe ich mir gleich selbst einen Zauberkasten gekauft. Der lag also nicht unterm Weihnachtsbaum. (Lacht.) Ja, und stets Bcher aus der Bibliothek ausgeliehen oder alles aufgesaugt, was zu sehen war.
Ab wann kristallisierte sich heraus, dass es mehr als nur ein Hobby ist?
HUSSLER: Ein Zauberkasten hat natrlich seine Grenzen, das wissen wir alle. Und vor allem, meine Freunde hatten fast den gleichen. Doch bereits mit etwa 14, hatte ich Kontakt zu Hobbyzauberknstlern und zum Magischen Zirkel. Mit 16, dem damaligen Mindestalter, wurde ich dort Mitglied. Und da helfen einem die Kollegen weiter. Wenn die merken, da ist einer, der ernsthaft Interesse zeigt, dann sagt man demjenigen zwar nicht alles, aber fhrt ihn langsam an die Materie heran. So kommen automatisch die ersten Miniauftritte, sei es bei Tante Kthes Geburtstag oder hnliches. Schlielich wurde es immer mehr. Durch Mundpropaganda interessierten sich spter fremde Leute und irgendwann kam der erste bezahlte Auftritt zustande. Nebenbei war natrlich noch Gymnasium, Bundeswehr und Studium angesagt. Meine beiden Studiengnge Mathematik und Geschichte mit Ziel Lehramt sowie Wirtschaftswissenschaften mchte ich allerdings nicht missen.
Sie sind ja der Einzige, der Magie mit Mathematik kombiniert, insofern war das Studium recht hilfreich.
HUSSLER: Ja natrlich. Wobei, das was ich mache, nur bedingt etwas mit Mathematik zu tun hat. Mathematik ist theoretisch, Kopfrechnen ist praktisch. Ich habe durchaus Mathematikprofessoren erlebt, die bei zwei mal drei leicht ins Grbeln kamen, aber die komplexesten Theorienbeweise im Kopf haben. Das ist dieser alte Witz. Die wissen, dass man’s ausrechnen kann, und dieses Wissen, das es geht, reicht ihnen. Aber sie knnen es nicht unbedingt ausrechnen. Mir hilft natrlich meine Fhigkeit, schnell rechnen und kombinieren zu knnen. Gefrdert wurde das durch meine Eltern, Vater Mathematiker, Mutter Musikerin – so habe ich zwei unterschiedliche Seiten mitbekommen. Und die Begabung ntzt mir, um die ganzen Formeln und Experimente auszutfteln. Dazu gehrt freilich auch jahrelanges Training.
Zurck zum Magischen Zirkel, wie kamen Sie damals darauf?
HUSSLER: Da hatte ich Glck, weil mein Vater ebenfalls ein Faible fr die Zauberkunst hatte.
. . . so mit weiem Kaninchen aus schwarzem Zylinder?
HUSSLER: (Lacht.) Erstaunlicherweise denkt jeder, das ist schlechthin der Klassiker aus der Zauberkunst. Aber Sie werden es nie gesehen haben, also nie live vorgefhrt bekommen. Da lege ich meine Hand ins Feuer. Das Kunststck, das ein Kaninchen aus einem Zylinder erscheint, wird praktisch nicht vorgefhrt, obwohl sich dieses Sinnbild der Zauberkunst bei vielen verfestigt hat. Ich habe viele Zauberknstler gesehen, Zauberer die mit Tieren zaubern – ja, Zauberer, die einen Zylinder tragen – ja, aber dass das Kaninchen aus dem Zylinder erscheint – nein. Aber zurck zum Magischen Zirkel. Mein Vater bildete in Stuttgart Mathematiklehrer aus und im gleichen Haus gab es einen Referendar, Eberhard Riese, Lehrer und damals auch schon im magischen Zirkel aktiv. Inzwischen ist er Prsident des Magischen Zirkels in Deutschland und von daher kam der Kontakt zustande.
Ist es Bedingung dem Zirkel beizutreten oder fungiert er als eine Art Gewerkschaft fr Zauberer?
HUSSLER: (Lacht.) Nein, es ist kein Muss, keine Pflicht, es ist ein Will und inneres Soll. Wie in allen Dingen, man schafft es alleine bis zu einem gewissen Punkt. Aber ohne Hilfestellung und Austausch mit Kollegen kommt man halt nicht ganz so weit. Der Magische Zirkel hat in Deutschland ungefhr 2900 Mitglieder, der grte Teil betreibt die Zauberei natrlich als Hobby, Profis drften es so um die 100 sein.
Sind auch Frauen dabei?
HUSSLER: Natrlich. Allerdings noch deutlich in der Unterzahl. Blickt man zurck, war die Zauberei frher bis auf die Assistentinnen eine reine Mnnerdomne. Aber es werden immer mehr. Roxanne, die Frau des Magiers Topas, tritt zum Beispiel auch eigenstndig auf.
Sie arbeiten aber ohne Assistentin?
HUSSLER: Ich will ja meine Gage nicht teilen. (Lacht.) Da kommt der Schwabe und der Rechner wieder raus. Zu Beginn hatte ich eine Darbietung mit einer Partnerin zusammen, heute nicht mehr.
Fr uns Laien klingt der Magische Zirkel ja ein bisschen abstrus . . .
HUSSLER: Nein, wir veranstalten keine geheimen Treffen um Mitternacht mit Mistelzweig und so. Der magische Zirkel hat etwa 70, 80 Ortszirkel, wie wir das nennen. Im Raum Stuttgart treffen wir uns ganz bodenstndig zweimal im Monat in der Stadthalle Sindelfingen. Dort stellen wir uns Themen zu verschiedenen Kunststcken, halten Seminare ab und tauschen uns aus. Sprechen ber Randgebiete, wie Schauspiel- oder Sprechtraining, Kostme schneidern, ber schminken – also die ganze Bandbreite was dieses Metier betrifft.
Keimt da bei weniger erfolgreichen Kollegen nicht Neid und Missgunst auf?
HUSSLER: Gibt es gelegentlich vielleicht noch. Aber es ist angenehmerweise inzwischen so, dass es mehr ein Miteinander und ein gemeinsames Arbeiten an Sachen ist.
Verraten Sie Ihre Tricks Ihrer Frau?
HUSSLER: Nein, sie will auch gar nicht. Natrlich bekommt sie vieles im bungsprozess mit. Und wenn sie Dinge immer und immer wieder sieht, kommt sie unweigerlich selbst dahinter.
Viele Comedians schreiben ja ihre Programme selbst. Doch bei Ihnen stelle ich mir die Programmgestaltung wie „Gedankenwelten’“ ungemein schwerer vor? Wie gehen Sie vor?
HUSSLER: Ideen sammeln. Meine Ideenmappe wird immer voller. Von daher hoffe ich, 2013 mit meinem neuen Programm zu starten. Das knnen ganz unterschiedliche Anstze wie spannende Themen, Trickideen oder eine besondere Musik sein. Im Laufe der Zeit kristallisiert sich dann die Struktur fr das neue Programm heraus. Zwar habe ich Teile in meinem Kopf schon fertig, das heit aber noch nicht, dass alle Texte geschrieben oder die erforderlichen Requisiten da sind und dass es nachher auch so luft wie man es sich vorstellt. Wie ein Programm allerdings beim Publikum ankommt, ist, wie beim Kabarettisten, nicht planbar.
Aber in erster Linie steht ja ben, ben, ben im Vordergrund?
HUSSLER: Natrlich, auf jeden Fall. Bei den Sachen, die ich mache, wie Mentalmagie, kann ich quasi nicht nur fr mich allein ben. Ein Zauberknstler, der in seiner Zehn-Minuten-Nummer Karten aus der Luft greift, Tauben produziert oder auch einer, der mit groen Illusionen arbeitet, der kann es fr sich im Probenraum immer wieder und wieder machen. Ich arbeite ja viel mit dem Publikum zusammen. In meinem abendfllenden Programm sind insgesamt ber 20 Zuschauer an den verschiedenen Experimenten beteiligt. Insofern muss ich immer mit fremden Leuten ben, weil ich da allein an meine Grenzen stoe. Dazu besitze auch ich keine bersinnlichen Fhigkeiten. Gleichwohl benutze ich meine fnf Sinne nur so geschickt, dass quasi wie von selbst die Wirkung eines sechsten Sinnes entsteht.
Das ist ja immer der Punkt – viele denken, das ist doch eh alles getrkt.
HUSSLER: Also im Fernsehen besteht zumindest die theoretische Mglichkeit, dass da geschummelt wird. Aber bei meiner Live-Show, da kommt wieder der Schwabe durch, denn dann htte ich ja zwanzig Karten kaufen mssen. (Lacht.)
Knnte Lieschen Mller Ihre Kunst auch erlernen?
HUSSLER: Mit etwas Begabung bis zu einem bestimmten Grad, ja. Eine mathematische Formel kann jeder lernen, nur wie schnell man sie umsetzt, ist der Knackpunkt. In meinem Programm gibt es einige Experimente fr Zuschauer, wie zum Beispiel blind Farben zu erfhlen. In fast allen Fllen klappt dies auch.
Aber neben Ihrer unbestrittenen Gabe, eine gewisse Technik steckt doch auch dahinter?
HUSSLER: Vielleicht nicht gerade Technik, aber Gehirn- und Gedchtnisleistung, verbale und nonverbale Kommunikation sowie NLP (Neuro-Linguistisches-Programmieren) und autogenes Training. Auch eine gute Beobachtungsgabe der Krpersprache, wie das Zucken eines Augenlids oder des Mundwinkels, ein unruhiges Wippen mit dem Fu, Fingerkneten – eben lauter solche verrterische Kleinigkeiten. Das bedarf einer regelrechten Forschung von Mimik und Mikroausdrcken in den Gesichtern. Dann noch ein wenig Psychologie gemischt mit Intuition und Zauberkunst. Freilich mssen die Leute auch wollen. Das sind Erfahrungswerte, man bekommt einen Blick dafr, wer zugnglich ist und wer nicht. Mich zum Beispiel knnte keiner hypnotisieren, einfach, weil ich es nicht will. Von daher ist jede meiner Vorstellungen anders.
Als Gedankenleser mssten Sie ja immer wissen, wie ein Trick eines Kollegen funktioniert?
HUSSLER: Manchmal ja, man erahnt oder wei es, was auf der Bhne geschieht. Aber es gibt auch fr mich noch schne berraschungsmomente und darber freue ich mich sehr. Vor allem gewisse Details einiger Kollegen macht eine Vorfhrung spannend. So sehe ich diese Kunststcke quasi mit den Augen der Zuschauer und diese Momente schtze ich sehr.