"AMADE hat mehr für Kinder erreicht als die Regierung"

Die Lebenssituation von Kindern in Burundi ist das Spezialgebiet von Psychologie-Professorin Théodora Nisabwe. Die Wissenschaftlerin lehrt an der Universität in Bujumbura. Sie hat zu den Themen Kriegswaisen und Aids intensiv geforscht und berät die Hilfsorganisation AMADE.  − Foto: Hedemann

Die Lebenssituation von Kindern in Burundi ist das Spezialgebiet von Psychologie-Professorin Théodora Nisabwe. Die Wissenschaftlerin lehrt an der Universität in Bujumbura. Sie hat zu den Themen Kriegswaisen und Aids intensiv geforscht und berät die Hilfsorganisation AMADE.  − Foto: Hedemann

Die Lebenssituation von Kindern in Burundi ist das Spezialgebiet von Psychologie-Professorin Théodora Nisabwe. Die Wissenschaftlerin lehrt an der Universität in Bujumbura. Sie hat zu den Themen Kriegswaisen und Aids intensiv geforscht und berät die Hilfsorganisation AMADE.  − Foto: Hedemann

Théodora Nisabwe ist Professorin an der Université du Burundi in der Hauptstadt Bujumbura. Die Psychologin hat unter anderem zu Waisen, HIV-positiven Kindern, Kindersoldaten und sexuell missbrauchten Mädchen in Burundi geforscht. Sie ist wissenschaftliche Beraterin von AMADE Burundi.

Burundi ist das drittärmste Land der Welt – und die Kinder leiden besonders. Was sind die schlimmsten Probleme?Théodora Nisabwe: Unter anderem durch den langen Bürgerkrieg und die verheerende Aidsepidemie wachsen in unserem Land Hunderttausende Kinder und Jugendliche ohne Eltern auf. Egal, ob sexueller Missbrauch, Prostitution oder Zwangsrekrutierung als Kindersoldat: Waisen sind besonders stark gefährdet.

Wie oft kommt es vor, dass Kinder sexuell missbraucht werden?Nisabwe: Dazu liegen keine exakten Zahlen vor, aber mit Sicherheit ist sexueller Missbrauch in unserem Land ein riesiges Problem. Die Täter müssen kaum mit Strafverfolgung rechnen. Missbrauchsopfer werden nicht ermutigt, die Täter anzuzeigen. Oft sehen sie auch aus Scham oder aus Angst, als Vergewaltigungsopfer nie einen Ehemann finden zu können, von einer Anzeige ab. Viele Opfer fürchten die Rache der Täter, sie wollen nicht ein zweites Mal Opfer werden.

Warum ist sexuelle Gewalt in Burundi so verbreitet? Nisabwe: Durch den Krieg sind in unserem Land viele Werte und Normen verloren gegangen. Die Menschen kennen einfach keine Grenzen mehr. Im Krieg galten weder Regeln noch Gesetze. Die Leute haben sich einfach mit Gewalt genommen, was sie wollten. Auch junge Mädchen. Zudem gibt es den fatalen Glauben an Hexerei. Manche Menschen denken ernsthaft, dass sie von Aids geheilt werden könnten, wenn sie Sex mit einem jungen, nichtinfizierten Mädchen haben. Ich kenne die Geschichte einer 16-Jährigen, die von ihrem eigenen Vater vergewaltigt wurde. Ein Hexenmeister hatte ihm gesagt, er würde reich werden, wenn er Sex mit der eigenen Tochter hat. Das Mädchen spricht seitdem nicht mehr. Viele Mädchen haben das Gefühl, dass ihr Körper durch eine Vergewaltigung jeden Wert verloren hat. Ihnen fällt es so leichter, ihren Körper als Prostituierte feilzubieten. Es ist ein schrecklicher Teufelskreis.

Werden viele Mädchen zur Prostitution gezwungen?Nisabwe: Auch hier liegen keine exakten Daten vor, aber manche Eltern zwingen ihre Töchter bestimmt zur Prostitution, weil sie die einzige Einnahmequelle der Familie ist. Die Armut treibt die Frauen und Mädchen zu diesem Schritt. Niemand macht das freiwillig. Die Opfer sterben emotional, wenn sie zum Sex mit fremden Männern gezwungen werden. Ihnen wird es schwerfallen, je wirkliche Zuneigung und Liebe zu empfinden, es zerstört ihr Selbstbewusstsein. Prostituierte und Ex-Prostituierte sind oftmals so stigmatisiert, dass es ihnen schwerfällt, Ehemänner zu finden. Manche Prostituierte übertragen den HI-Virus schon im Mutterleib auf ihre ungeborenen Kinder. "

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