«Alzheimer wird behandelbar»



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«Alzheimer wird behandelbar»

Der Milliardenmarkt treibt die Pharmabranche an, ein Mittel gegen den Hirnzerfall zu finden. «Wir haben vielversprechende Ansätze für eine wirksame Therapie», sagt Hansruedi Lötscher, Forschungsleiter neurodegenerative Krankheiten bei Roche.

Dem Vergessen auf der Spur: Hansruedi Lötscher ist zuversichtlich, dass die Medizin den zunehmenden Demenzerkrankungen bald nichtmehrmachtlos gegenübersteht.

Dem Vergessen auf der Spur: Hansruedi Lötscher ist zuversichtlich, dass die Medizin den zunehmenden Demenzerkrankungen bald nichtmehrmachtlos gegenübersteht.

Weltklasse-Forschung

Die F. Hoffmann-La Roche AG, wie sich der Konzern mit Sitz in Basel genau nennt, ist das fünftgrösste Pharmaunternehmen der Welt. Es beschäftigt total rund 85'000 Mitarbeitende, in der Schweiz 12'000. Letztes Jahr betrug der Umsatz 46,8 Milliarden Franken. Bei den Krebsmedikamenten ist Roche Weltmarktführer. Pro Jahr gibt Roche fast 9 Milliarden Franken für die Forschung aus. Wie viel davon in die Neurodegeneration und -regeneration fliesst, ist nicht bekannt. Neben neurodegenerativen Erkrankungen werden dort auch psychiatrische Krankheiten (Bsp. Depressionen) und neuronale Entwicklungsstörungen (Autismus, Downsyndrom) erforscht. Mit seinen Ausgaben belegt Roche im Ranking der Unternehmen mit den höchsten Forschungsinvestitionen weltweit Platz 3.

Hansruedi Lötscher (61), promovierter Biochemiker, ist bei Roche Forschungsleiter im Bereich Neurodegeneration und -regeneration. sae

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Herr Lötscher, Roche galt bisher als Spezialistin für Krebsmedikamente. Jetzt sind Sie auch auf dem Gebiet von Alzheimer, Parkinson und weiteren neurologischen Krankheiten aktiv. Warum das?
Wir sehen hier einen sehr grossen medizinischen Bedarf. Bereits heute leben weltweit 44 Millionen Menschen mit Alzheimer – und diese Zahl dürfte sich bis im Jahr 2050 verdreifachen. Da kommt eine riesige Last auf die Gesellschaft zu.

Ein Pharmakonzern wird aber wohl noch andere Gründe haben.
Als Forscher darf ich mich nicht von wirtschaftlichen Motiven leiten lassen… Tatsache ist aber, dass wir uns neben der Onkologie und der Immunologie mit den Neurowissenschaften ein weiteres Standbein aufbauen wollen. Bisher gibt es ja nur die Möglichkeit, die Symptome von Demenzerkrankungen etwas zu lindern. Unser Ziel ist es aber, die Alzheimerkrankheit zum Stoppen zu bringen oder zumindest zum Verlangsamen.

Ihr ehemaliger Verwaltungsratspräsident Franz Humer sagte im Frühling bei seinem Abschied, in zehn Jahren sei Alzheimer behandelbar. Und, wie weit sind Sie?
In der Forschung ist es immer schwierig, einen Zeitpunkt vorauszusagen. Was ich aber sagen kann: Wir haben grosse Fortschritte gemacht. Und einige Ansätze sind sehr vielversprechend.

Zum Beispiel?
Grosse Hoffnungen setzen wir in unser Prüfmedikament Gantenerumab. Das ist ein Antikörper, der bei der vermuteten Ursache von Alzheimer ansetzt.

Und welches ist die Ursache der gefürchteten Hirnerkrankung?
Im Gehirn von Alzheimerpatienten kommt es zu Proteinablagerungen und Verklumpungen, den sogenannten Plaques. Die sind nach heutigem Wissensstand für die Zerstörung und den Abbau von Hirnsubstanz verantwortlich. Wir glauben nun, dass Gantenerumab in der Lage ist, diese Plaques zu verringern oder sogar aufzulösen. Von einer solchen Behandlung würden die Patienten natürlich ganz entscheidend profitieren.

Wie weit konnten Sie den positiven Effekt des Antikörpers bisher nachweisen?
Es gibt sehr ermutigende Ergebnisse aus früheren Studien. Zurzeit laufen zwei grosse klinische Studien in der Phase III, also in der letzten Phase der klinischen Arzneimittelentwicklung. Daran sind fast 2000 Patienten weltweit beteiligt, auch in der Schweiz. Die Studienergebnisse erwarten wir 2016 und 2018. Wir sind alle sehr gespannt. Was man jetzt schon sagen kann: Eine Behandlung muss möglichst bereits im Frühstadium der Krankheit beginnen. Je früher, desto grösser sind die Chancen, den Krankheitsverlauf zu beeinflussen und im besten Fall sogar aufzuhalten.

Roche ist nicht die einzige Pharmafirma, die auf diesem Gebiet forscht. Weltweit laufen nicht weniger als 500 klinische Versuche. Um das erste wirksame Alzheimermedikament ist ein regelrechter Wettstreit entbrannt.
Das ist auch gut so. Denn es geht vor allem darum, den Patienten zu helfen. Konkurrenz beflügelt uns Forscher. Ich bin überzeugt, dass Alzheimer eine behandelbare Krankheit wird. Und mit Gantenerumab sind wir bei Roche sehr gut positioniert.

Neben den Demenzerkrankungen sind Sie auch bei anderen neurologischen Leiden am Ball – Parkinson zum Beispiel ist ebenfalls ein noch weitgehend ungelöstes medizinisches Problem.
Das stimmt. Alzheimer und Parkinson sind immer noch unheilbar und haben auch sonst eine gewisse Ähnlichkeit. Parkinson beginnt mit Bewegungsstörungen und Zittern, in einem späteren Stadium kommt dann meist auch eine Demenz hinzu mit den typischen Proteinablagerungen im Gehirn wie bei der Alzheimerkrankheit. Wir können hier also durchaus von unserer Alzheimerforschung lernen. Bei Parkinson sind wir allerdings noch nicht so weit.

Eine weitere Knacknuss ist multiple Sklerose…
Hier verfolgen wir einen neuen Ansatz. Haben die heutigen MS-Medikamente das Ziel, die Entzündungsaktivität in Hirn und Rückenmark einzudämmen, wollen wir, dass sich die bestehenden Schäden an den Nervenhüllen regenerieren oder «remyelinisieren», wie es in der Fachsprache heisst. Seit dem Sommer arbeiten wir auf diesem Gebiet mit einer kalifornischen Biotechfirma zusammen.

Alzheimer, Parkinson, multiple Sklerose: Kann Ihre Forschungsabteilung mit gerade einmal rund dreissig Spezialisten das alles bewältigen?
Wir bauen deshalb kontinuierlich aus und werden unterstützt von anderen Bereichen der Roche-Forschung. Zudem sind wir offen für externe Kooperationen, wie das Beispiel mit der amerikanischen Biotechfirma zeigt.

Trotz Ihres Optimismus: Forschung ist langwierig und nicht selten mit Rückschlägen verbunden. Was treibt Sie an?
Ich habe bei meiner Mutter miterlebt, was Alzheimer anrichtet. Das gibt mir immer wieder Kraft und Motivation, ein Mittel gegen diese schlimme Krankheit zu finden. (Bernerzeitung.ch/Newsnet)

Erstellt: 20.10.2014, 09:54 Uhr


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